Gegenwind für Minister Wert


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Neue Kriterien für die Stipendienvergabe stellen die Gleichheit der Bildungschancen infrage

Der spanische Bildungsminister José Ignacio Wert hat ein Talent dafür, sich unbeliebt zu machen. Sein jüngster Streich ist die Reform der Kriterien für die Stipendienvergabe.

Madrid – Die gering dotierten Stipendien, die hierzulande nahezu jeder Schüler und Student aus niedrigen Einkommensverhältnissen erhält (ein Ba­fög-Äquivalent gibt es nicht), sollen nach dem Reformentwurf nur noch an Schüler bzw. Studenten vergeben werden, die einen Notendurchschnitt von über 6,5 (Bestnote: 10) haben.

Damit hat Wert die Schulbehörde, die Autonomen Regionen und die Rektoren der Universitäten gegen sich aufgebracht. Sie forderten einstimmig, das Reformprojekt zurückzuziehen, weil es verfassungswidrig sei, finanziell benachteiligten Studenten den Zugang zur Universität verwehre und die Hälfte der schon mit Stipendien Studierenden aus ihrem Studiengang herauskatapultieren würde.

Der Minister zeigte sich zwar grundsätzlich gesprächsbereit, wollte aber keinesfalls unter die Notengrenze von 6,5 gehen. Außerdem vertrat er die Ansicht, dass die Studenten zwar ein Recht auf Stipendien hätten, jedoch niemals ein Recht auf eine bestimmte Höhe der Summe.

„Der Ärmste muss der Klügste sein“

Am Ende machte er dann doch Zugeständnisse und senkte die Anforderungen für Abiturschüler und Auszubildende doch noch auf unter 6 ab, bei den Universitäten blieb Wert jedoch hart. Die Rektorenkonferenz, die 75 Universitäten vertritt, stellte sich entschieden gegen die Verschärfung der Vergabekriterien. Für sie verstoßen die Pläne des Ministers gegen das verfassungsmäßige Recht der Studenten auf gleiche Bildungschancen. „Der Allerärmste muss beweisen, dass er außerdem auch der Allerklügste ist,“ bringt es der Rektor der Universidad Complutense von Madrid, Jose Carrillo, ironisch auf den Punkt. Die Reduzierung der Höhe der Stipendien ist ein weiterer Punkt, der viele vom Studieren abhalten werde. Allein die Verringerung der Mobilitätsstipendien auf 1.500 Euro pro Studienjahr könne viele Schüler und Studenten zwingen, das Studium aufzugeben. Die Universitätsleiter rechnen mit bis zu 50% Studienabbrechern.

Die neue Regelung sieht außerdem vor, den Betrag der Stipendien auf maximal 1.500 Euro zu reduzieren und am Ende die Gelder, die im Fördertopf übrig bleiben, an alle Antragsteller entsprechend dem Notendurchschnitt zu verteilen. Die Festlegung dieser Summe erfolgt nach der Höhe des Notendurchschnitts und entscheidet sich erst Monate nach Studienbeginn.

Die Rektoren wiesen darauf hin, dass durch die neue Notendurchschnittsklausel in diesem Studienjahr schon Tausenden Studenten ein Stipendium verweigert wurde.

Der Minister eckt an

José Ignacio Wert hat, seit er im Dezember 2011 mit dem Regierungswechsel Bildungsminister geworden ist, ein bewegtes Leben. Seine Schulreform (LOMCE) stieß bei Lehrern, Schülern und Studenten auf breiten Widerstand, was im Mai 2012 zum ersten Generalstreik in der Geschichte des spanischen Bildungswesens führte, an dem von der Grundschule, über die Berufsbildung bis zu den Universitäten alle Etappen des Bildungsapparates beteiligt waren.

Zur Kürzung des Bildungsetats um 6,7 Milliarden Euro probten die Universitätsrektoren den Aufstand und verweigerten die Teilnahme an der Rektorenkonferenz, weil sie nicht in die Debatte um die Kürzungen einbezogen wurden.

Im Dezember 2012 kam es zum Bruch mit der katalanischen Bildungsbeauftragten Irene Rigau, weil die katalanische Sprache durch die Reform an Bedeutung verlieren würde.

Im vergangenen April dann versuchte die Schulbehörde alle politischen und sozialen Kräfte zu mobilisieren, um den Text des neuen Bildungsgesetzes zu korrigieren.

Vor einigen Wochen, im Mai, dann der zweite Generalstreik mit Demonstrationen von Schülern, Lehrern und Eltern gegen die Kürzungen und das Reformprojekt.

Und im Juni bei der Auszeichnung der besten Studienabgänger weigerte sich ein Dutzend der Prämierten, den Minister zu grüßen, was einen beträchtlichen Skandal verursachte (das Wochenblatt berichtete).

Zuletzt kam dann noch die breite Ablehnung aller Institutionen gegenüber der Neuordnung der Stipendien hinzu.

Doch kein noch so entschiedener Widerstand bringt José Ignacio Wert dazu, seine Positionen zu überdenken. Der Minister hat ein dickes Fell.

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