Gerangel um E-Sport-Schulliga endet mit Rückzieher der Regierung


Mit der Schaffung einer Schulliga für Videospiele bezweckte die Regionalregierung, Schüler, die zu Hause Computerspiele spielen, im verantwortungsvollen Umgang anzuleiten. Foto: Pixabay

Im Oktober sollte das dreimonatige Pilotprojekt an 20 Schulen an den Start gehen. Wegen der heftigen Kritik teilte das Bildungsressort nun kurzfristig mit, die Einführung von Computerspielen und Onlinewettbewerben an Schulen vorerst aufzuschieben.

Kanarische Inseln – Ende des vergangenen Schuljahres hatte die Regionalregierung, auf einen Vorschlag der beiden Fußballclubs CD Tenerife und UD Las Palmas hin, die Schaffung einer Schulliga für Videospiele beschlossen. Damit sollte der E-Sport im gerade begonnenen Schuljahr 2018/2019 an 20 ausgewählten Institutos (Mittelschulen ab der 7. Klasse) auf den Inseln eingeführt werden.

Der als Pilotprojekt angekündigte Versuch, Schüler, die in ihrer Freizeit am Heim-PC bereits Computerspiele spielen, im verantwortungsvollen Umgang mit dem Onlinespielen anzuleiten, sollte zunächst an neun Schulen auf Teneriffa, sechs auf Gran Canaria, zwei auf Fuerteventura und jeweils einer auf La Palma, La Gomera und La Graciosa umgesetzt werden.

Während der Starttermin für das Projekt näherrückte, lieferten sich Gegner und Befürworter einen immer heftiger werdenden Schlagabtausch, der in einer hitzigen Debatte im Parlament gipfelte. Sämtliche Parteien der Opposition, von den Sozialisten (PSOE), über die Partido Popular (PP) bis Podemos und Nueva Canarias (NC), machten gemeinsam Front gegen das Vorhaben der Regierung (CC), das wettbewerbsmäßige Spielen von Computer- und Videospielen in das AG-Angebot der Schulen einzuführen.

Das Bildungsressort der Regionalregierung begründete die Einführung von E-Sport an den Schulen damit, dass Computerspiele in den meisten Haushalten längst präsent seien, Eltern aber oft aus Unkenntnis bei der Überwachung überfordert seien, weshalb die Schulen als „Begleiter“ gefragt seien, um Schüler und Familien im richtigen Umgang mit den Spielen und dem Online-Wettkampf zu unterstützen und anzuleiten.

Familien und Lehrer sollten im Rahmen des dreimonatigen Pilotprojektes durch Workshops mehr über E-Sport lernen, während gleichzeitig am Verhalten der Schüler festgestellt werden sollte, auf welche Aspekte in Zukunft weitere Schwerpunkte gelegt werden müssen, um einen verantwortungsvollen Umgang der Jugendlichen mit dem virtuellen Zocken sicherzustellen.

League of Legends, Clash Royale und FIFA2019

Der Plan: Zehn Wochen lang sollen die Teilnehmer der kanarischen E-Sport-Schulliga in Teams bei Online-Turnieren gegeneinander antreten. Gespielt werden die beliebten Computerspiele „League of Legends“, „FIFA 2019“ und „Clash Royale“. „League of Legends“ ist eines der meistgespielten PC-Spiele in den USA und Europa. Es zählt innerhalb des Computerspiel-Genres der „Multiplayer Online Battle Arena (MOBA)“ zu den Top-Games. Auch das Echtzeit-Mehrspieler-Strategiespiel „Clash Royale“ zählt zu den populären Computerspielen. „FIFA 2019“ richtet sich an die Fußballfans unter den Gamern.

Für die Einführung der E-Sport-Schulliga war ein Budget von 211.000 Euro vorgesehen. Davon sollten allein 130.000 Euro in den Erwerb leistungsstarker Computer fließen.

Die Leiterin des regionalen Bildungsressorts, Soledad Monzón, beteuerte im Parlament, dass die Teilnahme an dem Projekt freiwillig sei. Außerdem wies sie die Kritik der Opposition zurück, das Projekt würde Kinder zum Onlinespielen verleiten, denn eine Voraussetzung für die Teilnahme sei, dass die Schüler eines der zur Auswahl stehenden Spiele bereits in ihrer Freizeit spielen. Außerdem, so Monzón, würden die Teilnehmer zum Ausgleich am selben Tag des Onlinewettkampfes auch 45 Minuten Sport betreiben.

Doch allen Beteuerungen der Ressortleiterin zum Trotz hielt der Kritik-Sturm an. Gegner der Einführung von Computerspielen an Schulen schlossen sich sogar in einer Plattform zusammen. „Plataforma Pasea“ (Plataforma para una Actividad Saludable, Educativa y Activa) nennt sich die Vereinigung, der sich Lehrer, Pädagogen, Psychologen, Ärzte und Experten auf dem Gebiet der neuen Technologien angeschlossen haben. Die Mitglieder von „Pasea“ sprechen sich zwar grundsätzlich nicht gegen die Einführung von Computerspielen an Schulen aus, jedoch ausdrücklich gegen die von der Kanarenregierung ausgewählten Spiele, deren Suchtpotenzial sie kritisieren.

Antonio González Molina, ein Sprecher der Plattform und bis letztes Jahr Dekan der Fakultät für Sportwissenschaften der Universität Las Palmas, erklärte, dass man sich durchaus bewusst sei, dass Computerspiele heutzutage Bestandteil der Alltagskultur von Jugendlichen seien. „Wir sind nicht ihre Feinde, wir sind Feinde schlechter Praktiken“, wird er von der Nachrichtenagentur EFE zitiert. Computerspiele wie „League of Legends“ hätten Suchtpotenzial und seien eine bewegungsarme Aktivität. Man könne deshalb nicht verstehen, weshalb gerade dieses Spiel ausgewählt wurde und nicht beispielsweise das anfänglich für dieses Projekt vorgesehene Musikspiel „Just Dance“. Immerhin habe auch das Internationale Olympische Komitee bereits abgelehnt, Spiele wie „League of Legends“ und „Clash Royale“ zu olympischen Disziplinen zu erklären, weil sie Gewalt und Diskriminierung förderten.

Schließlich hat sich die Regierungspartei CC (vorerst) geschlagen gegeben und einen Rückzieher gemacht. Man habe beschlossen, die Umsetzung des Projektes aufzuschieben, erklärte Soledad Monzón am 13. September. Man wolle Eltern, Lehrern, Verbänden und Parteien konkrete Daten, Studienergebnisse und Details des Projektes liefern, um zu einem Konsens auf sozialer und politischer Ebene zu gelangen. Ein Parlamentsausschus soll sich mit dem Thema befassen.

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