Gesundheitswesen wird der Fälschung der Wartelisten bezichtigt


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Ärzte, Pflegepersonal und Patienten schlagen Alarm. Der kanarische Ombudsmann Jerónimo Saavedra bestätigt: „Die Zahlen stimmen nicht überein.“

Das kanarische Gesundheitsministerium veröffentlicht halbjährlich Daten zu den Patientenwartelisten. Die neueste Liste weist seit Juni letzten Jahres eine Zunahme der Patienten, die auf eine Operation warten, um 9,16% auf nahezu 30.000 im Dezember 2012 aus. Diese Zahlen haben bei Mitarbeitern wie Nutzern des Gesundheitswesens Empörung ausgelöst.

Madrid – Sowohl die Gewerkschaften als auch die Patientenschutzvereinigung und sogar die Ärztekammer sehen die veröffentlichten Daten als einen schlechten Scherz an. Übereinstimmend halten sie es eher für realistisch, dass es mindestens 45.000 Patienten sind, die auf einen chirurgischen Eingriff warten. Der Präsident der Ärztekammer, Rodrigo Martín, erklärte dazu: „Die Zahlen stimmen nicht, und das Schlimmste ist, dass mittlerweile eine rote Linie überschritten ist, es vergeht so viel Zeit bis zur Operation, dass das Ergebnis nicht so ist, wie es sein könnte, wenn der Eingriff rechtzeitig erfolgt wäre. Mit der Statistik kann man einfach alles machen.“

Auch die Sprecherin der Gewerkschaft Intersindical Canaria hält das Zahlenwerk des Gesundheitsressorts für in hohem Maße geschönt und weist auf die Existenz schwarzer Listen hin mit Patienten, die auf einen Eingriff warten, jedoch in keiner Statistik auftauchen. Berechnungen der Arbeitnehmervertretung ergaben, dass diese noch einmal 50% der offiziellen Zahlen ausmachen, und stimmen so mit der Einschätzung der anderen Verbände überein.

Der Ombudsmann meldet sich zu Wort

Auch der Ombudsmann der Kanarischen Inseln, Alt-Kanarenpräsident sowie ehemaliger Bürgermeister von Las Palmas de Gran Canaria, Jerónimo Saavedra, meldet sich zu Wort und bestätigt die Fragwürdigkeit der offiziellen Zahlen. In einem Interview mit dem Radiosender El Día äußerte er: „Ich muss gestehen, dass es Daten gibt, die uns die Kanarenregierung über das entsprechende Ressort oder den Kanarischen Gesundheitsdienst zukommen lässt, die nicht mit denen übereinstimmen, die sie selbst später der Öffentlichkeit bekannt geben, und das ist etwas, was ich persönlich nicht verstehen kann.“

Saavedra beklagte die Situation und wies darauf hin, dass Vergleichbares auch in so sensiblen Bereichen wie der Pflege passieren würde.

Mit Saavedras Aussagen wurde der Fälschungsvorwurf der Gewerkschaften, Patientenvereinigung und der im Gesundheitsdienst beschäftigten  Ärzte und Pleger nun auch vonseiten einer offiziellen und unabhängigen Institution bestätigt.

Ärzte-Senioren wollen Sonderschicht statt Rente

Die Ärzte des Universitätskrankenhauses HUC, die kurz vor der Pensionierung stehen, haben angeboten, einen Nachmittag pro Woche umsonst zu arbeiten, um zu helfen, die Wartelisten abzubauen. Im Gegenzug wünschen sie sich von der Kanarenregierung, nicht zwangsweise mit 65 Jahren in den Ruhestand geschickt zu werden, sondern mindestens bis zum 70. Lebensjahr weiter arbeiten zu können. Verschiedene Ärzte haben sich gegen ihre Zwangspensionierung sogar schon gerichtlich gewehrt.

Es wird erwartet, dass sich die Ärzte anderer kanarischer Krankenhäuser bald der Initiative anschließen werden.

Ressortleiterin Mendoza gibt sich zuversichtlich

Die Leiterin des Gesundheitsressorts der Kanarenregierung, Brígida Mendoza, nahm zunächst nicht zu den Vorwürfen Stellung. Sie gab sich jedoch zuversichtlich, dass es bis Dezember des laufenden Jahres gelingen werde, die Wartelisten deutlich zu reduzieren.

Bei dieser Gelegenheit erinnerte sie daran, dass Kürzungen der Zentralregierung im Gesundheitswesen dafür verantwortlich seien, dass sich das Problem der Wartezeiten so sehr verschärft habe.

 Nichtsdestotrotz habe man es bisher geschafft, keine Gesundheitszentren und Notaufnahmen zu schließen und – entgegen bestehenden Behauptungen – auch keine Operationssäle.

In jedem Falle sind die offiziellen Zahlen des Gesundheitsressort schon besorgnis-

erregend genug. Im Durchschnitt 140 Tage müssen Patienten auf den Kanaren auf eine notwendige Operation warten, das sind über 50 Tage mehr als die mittlere Wartezeit in ganz Spanien, die bei 87,2 Tage liegt.

Auch die Wartelisten für die Facharztbehandlung sind lang: die Rehabilitation führt mit 4.828 Patienten; es folgen Dermatologie mit 3.327; Allergologie mit 2.592; Neurologie mit 1.761; Rheumatologie mit 1.722 und Kardiologie mit 1.588. Insgesamt warteten nach den offiziellen Zahlen am Stichtag 31. Dezember 2012 23.397 Patienten auf ihren Termin beim Facharzt, 2.236 mehr als im Juni. Dies entspricht einem Zuwachs von 10,56%.

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