Heldinnen und Helden von heute


Gedanken für mich ­– Augenblicke für Gott

In diesen Tagen, da die 51. Bundesliga-Saison beginnt und viele wieder den „Fußball-Helden“ zujubeln, ist mir eine Geschichte wieder bewusst geworden, die ich unlängst irgendwo gelesen habe. Ich kann sie Ihnen nun nicht wortwörtlich wiedergeben, aber ich versuche sie einfach mal mit meinen Worten zusammenzufassen.

„Was ist denn ein Held, Opa?“ Diese Frage seines Enkels traf den Großvater nun doch recht unvorbereitet. „Ein Held?“ Ja, was ist das? Dem Opa fiel ein, dass er da mal nach einem spannenden Fußballspiel in der Zeitung gelesen hatte: „Ein junger Held schoss das Siegestor“. Doch der Enkel war nicht so recht zufrieden damit. Er ließ nicht locker und löcherte den Opa weiter: „Opa, ich warte auf deine Antwort: Was ist ein Held?“ Also versuchte sich der Opa aufs Neue: „Ein Held, das ist ein Sportler, der eine große Leistung vollbringt.“ Zwar war er mit seiner Antwort nicht ganz zufrieden, aber er dachte, nun ist es genug. Doch der Enkel antwortete: „Dann muss also ein Held ein erfolgreicher Sportler sein?“ Der Opa spürte die Spannung, die er dem Enkel mit seiner Antwort gegeben hatte. „Nein“, sagte er nun weiter, „Helden hat es schon immer gegeben. Zum Beispiel im letzten Krieg. Da gab es auch Helden, die ich als Junge bewundert habe. Das waren Jagdflieger, die viele feindliche Flugzeuge abschossen. Oder U-Boot-Kapitäne, die Schiffe der anderen versenkten.“ Aber der Enkel war so wenig überzeugt wie der Großvater selbst. „Also muss man als Held Menschen töten?“, fragte der Enkel, und der Opa spürte, wie seine Sackgasse länger und länger wurde.

Er wusste sich nun keinen anderen Rat mehr, als das Lexikon zu holen und darin nachzuschlagen. Da stand unter dem Begriff „Held“ folgendes zu lesen: „Durch Tapferkeit hervorragender Mensch“. Diese Auskunft gab der Opa an seinen Enkel weiter. Plötzlich meldete sich dessen danebensitzende Schwester, die aufmerksam zugehört hatte, und meinte: „Du erzählst immer nur von Helden, Opi. Gibt es denn auch Heldinnen?“ Das Mädchen hatte natürlich recht. In der Tat war das Gespräch bislang nur auf heldische Männer fixiert. Wie wir alle ja überhaupt gar nicht merken, wie sich unsere sprachlichen Wertbegriffe oft unmerklich abnützen und verschieben. Da werden uns durch die Medien täglich Idole und Begriffe nahegebracht, die viele Menschen einfach unkritisch übernehmen und für sich und ihr Leben akzeptieren. Da werden dann Menschen zu Helden hochstilisiert, die – sicherlich mal in einer Ausnahmesituation – etwas Besonderes geleistet haben, was aber für uns und unser alltägliches Leben wenig bedeutsam ist. Häufig wird im Zusammenhang mit Helden ja auch nicht mehr von Menschen wie Ihnen und mir geredet, sondern von Draufgängern, von Kampfhähnen, Siegertypen, Dream-Boys und natürlich auch -Girls, Muskelmännern, Wichtigtuern, Abenteurern und…und…und. Erfolgsmenschen und Macher sind gefragt, nicht mehr und nicht weniger. Aber sind das auch Vorbilder? Menschen, die wir – wie der Opa seinen Enkeln – als Heldinnen und Helden vermitteln könnten?

Lassen wir deshalb wieder den Opa zu Wort kommen. Der hat nach dem Einwand der Enkelin lange nachgedacht, sich besonnen, und er sagte dann: „Jeder Mensch, der mutig eine schwere Aufgabe erfüllt und sich dabei für seine Nächsten einsetzt, ist auf seine Art ein Held.“ Dann erzählte er seinen Enkeln von der Nachbarin, deren Mann sieben Jahre zuvor einen Schlaganfall erlitten hatte. „Er ist halbseitig gelähmt“, sagte er, „und seitdem betreut ihn seine Frau Tag für Tag. Sie braucht dazu immens viel Geduld, denn es ist nicht einfach, einen schwer behinderten Menschen zu waschen, ihn ins Bett zu bringen, ihm beim Essen behilflich zu sein, ihn zur Toilette zu führen, ihn zu trösten und wieder aufzubauen, wenn er so gar keine Freude mehr am Leben hat. Und ich glaube nicht, dass die Frau immer und jeden Tag mit gleicher Freude diese Arbeit macht. Aber sie tut sie einfach, weil sie ihrem Mann nahe sein und weil sie ihm das Leben ein klein wenig erträglicher machen will. Ich würde nach all diesen Überlegungen sagen: Ja, diese Frau ist eine Heldin….oder auch eine Heilige…“

Ob die Enkel damit nun zufrieden waren? Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall endete diese Geschichte so. Ist sie denn aufschlussreich für uns und das, was wir so als Heldinnen und Helden bezeichnen? Ich für meinen Teil weiß nur: Ich werde mit Sicherheit wieder mit viel Begeisterung diese neue Fußball-Saison verfolgen und meiner Mannschaft die Daumen drücken und mit ihr fiebern. Aber Helden – nein Helden, das sind die Fußball-Spieler von heute nicht. Heldinnen und Helden, das sind Menschen, die mit viel persönlicher Einschränkung sich ganz in den Dienst der Nächsten stellen und für sie da sind. Damit Menschen, die nichts zum Lachen haben, die Freude am Leben nicht verlieren und etwas von dem erspüren dürfen, was die Bibel mit „Leben in Fülle“ meint.

Herzlichst Ihr

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

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