Hohe Bußgelder für aufmüpfige Bürger


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Regierung will Demonstrationsrecht einschränken

„Gesetz für Bürgersicherheit“ heißt es doppelzüngig, doch das Gesetzesvorhaben der spanischen Regierung scheint eher dazu geeignet, die Bürger von sich fernzuhalten oder gar zu kriminalisieren, wenn sie Kritik am Vorgehen der Politiker zum Ausdruck bringen. Nicht genehmigte Protestkundgebungen und Demonstrationen vor dem Kongress, dem Senat und anderen Institutionen sollen in Zukunft als „sehr schweres Vergehen“ mit bis zu 600.000 Euro Bußgeld belegt werden können.

Madrid – Der Entwurf sieht zum Teil hohe Geldstrafen für eine ganze Reihe von Ordnungswidrigkeiten vor. Neben unmittelbar einleuchtenden notwendigen Strafen, beispielsweise für das Anleuchten der Pilotenkanzeln von Flugzeugen mit Laserpointern und Tierquälerei bei öffentlichen Veranstaltungen, werden auch schwammige Tatbestände aufgeführt. So werden gemeinsames Trinken und Musikhören im öffentlichen Raum (Botellón), das Erklettern von öffentlichen Gebäuden zu Demonstrationszwecken oder Drogenabhängige zu dem Ort zu fahren, wo sie die Drogen kaufen, mit enormen Geldbußen, meist zwischen 1.000 und 30.000 Euro, belegt.

Die vorgesehenen Einschränkungen des Demonstrationsrechts und der Versammlungsfreiheit sind auf eine breite Protestfront gestoßen. Aktivisten von Greenpeace erkletterten ein Gebäude an der Plaza de España in Madrid und entrollten ein Plakat gegen das geplante „Anti-Protest-Gesetz“. Wäre dieses schon in Kraft, müssten sie mit Bußgeldern von bis zu 30.000 Euro rechnen.

Die Opposition im Parlament begehrt nahezu geschlossen gegen dieses Gesetzgebungsvorhaben auf. Verschiedene Vertreter der sozialistischen PSOE äußerten scharfe Kritik. Der Innenpolitiksprecher und Abgeordnete Antonio Trevín sieht das Gesetz als Vorwand, das von der Verfassung geschützte Demonstrationsrecht zu beschränken. Eduardo Madina, Generalsekretär der Sozialisten im Kongress, kündigte an, dass seine Partei sich mit allen Mitteln gegen das Gesetz stellen und notfalls vor dem Verfassungsgericht klagen werde. Nach Ansicht von Elena Valenciano, Vizegeneralsekretärin der PSOE, beschwört die Rechte mit dieser Gesetzesinitiative ihre „alten Gespenster“ wieder herauf.

Juan Coscubiela, Sprecher der linken Izquierda Plural, bezeichnete den Vorstoß als einen brutalen Angriff auf die Bürgerrechte, um die ultrarechte Wählerschaft der regierenden Partido Popular (PP) zufriedenzustellen. Er sprach von einem „Tritt in den Mund der Demokratie“ und spielt damit auf den zwanzigsten Jahrestag der Annullierung eines Artikels aus dem bisher geltenden „Sicherheitsgesetz“ an, der es der Polizei erlaubte, Häuser zu betreten, indem sie die Tür eintrat. 

Aitor Esteban, Sprecher der baskisch-nationalistischen PNV, bezeichnete die vorgesehenen Bußgelder als „etwas übertrieben“ und erklärte, der beste Schutz für die staatlichen Institutionen sei die Zustimmung der Bürger für sie.

Durch das neue Gesetz, nach dem spanischen Innenminister „Ley Fernández“ genannt, will die Regierung Protestkundgebungen wie den Marsch „25-S“, bei dem Demonstranten im September 2012 den Kongress umringten, eindämmen und mehr Kontrolle über das Geschehen auf den Straßen erlangen. Unter anderem soll die Polizei die Möglichkeit bekommen, Sicherheitszonen zu etablieren, in denen keine Versammlungen stattfinden dürfen. So könnten Proteste vor den Privatwohnungen von Politikern und Amtsträgern verhindert werden. Hohe Bußgelder sind auch für Personen vorgesehen, deren Identifizierung durch Kleidung und Objekte, die sie tragen, erschwert wird. Dasselbe gilt für Beleidigungen und Drohungen, die gegen Polizisten ausgesprochen werden.

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