Homeoffice im Hotel

Miguel Fariña: „Es ist wichtig, auf die Wünsche und Bedürfnisse der Gäste einzugehen.“ Foto: EFE

Miguel Fariña: „Es ist wichtig, auf die Wünsche und Bedürfnisse der Gäste einzugehen.“ Foto: EFE

Digitale Nomaden sind die neuen Gäste, die einigen Hotels mitten in der Krise ein volles Haus bescheren

Gran Canaria – Während die überwiegende Mehrheit der Hotels auf den Kanaren aktuell entweder geschlossen sind oder mit sehr wenigen Reservierungen über die Runden kommen müssen, haben einige Unternehmer umgedacht und einen neuen Gäste-Typ entdeckt und die Corona-Pandemie als Katalysator genutzt.
Ein Hotel auf Gran Canaria hat sich in diesem Sinne neu erfunden und kann sich überraschenderweise mitten in der Krise über eine Auslastung von sage und schreibe 98% freuen. Dank digitaler Nomaden. Nachdem das „Remote Working“ und „Home Office“ in Zeiten von Corona zum Trend geworden sind, liegt es gerade im Winter nahe, den Bürostuhl in der geheizten Wohnung im Norden Europas zu verlassen und das „Home Office“ an den Hotelpool unter der kanarischen Sonne zu verlegen, wie die Nachrichtenagentur EFE in einer Reportage verdeutlicht.

Tom E. ist einer der Telearbeiter, die ihr Büro an den Hotelpool verlegt haben. Foto: efe
Tom E. ist einer der Telearbeiter, die ihr Büro an den Hotelpool verlegt haben. Foto: efe

Von der Nische zum Trend
Im Hotel Playa del Sol in Playa del Inglés bewohnen derzeit digitale Nomaden aus den verschiedensten Ländern und mit ganz unterschiedlichen Jobs fast alle der 140 verfügbaren Zimmer bzw. Apartments. Das Hotel hatte ebenso wie das Surfing Colors in Corralejo auf Fuerteventura schon vor Corona Telearbeiter als neues Gästeprofil entdeckt. Miguel Fariña, Marketingchef des Playa del Sol, berichtete EFE, dass die Tourismus-Nische schon seit 2018 in den beiden Hotels existiert, jetzt aber geradezu explodiert und zum Trend geworden sei.
Mit einem jungen Mitarbeiterstab hat er es geschafft, dass das Playa del Sol und das Surfing Colors mit digitalen Nomaden über die Runden kommen. Man habe sich den Bedürfnissen und Ansprüchen dieser Gäste angepasst, erklärt Fariña, unter anderem mit einem verbesserten WLAN-Signal, sogenannten „working areas“ und entsprechenden Preisen für Langzeitaufenthalte. Mit Angeboten von 700 bis 850 Euro pro Monat haben die Hotels eine gute Auslastung erzielt.
„Im Winter arbeiteten wir vor allem mit skandinavischen Gästen des Adults-Only-Segments und im Sommer mit LGBT-Gästen, aber auf Fuerteventura hatten wir auch viele Surfer, digitale Nomaden, von denen wir gelernt haben, wie sich der Arbeitsalltag mit der Leidenschaft für diesen Sport kombinieren lässt“, erzählt Fariña. Diese Erfahrung habe zu der Überlegung angeregt, wenn ein Gast in Berlin oder Paris, Finnland oder Polen in den Lockdown muss, wo es so kalt ist und früh dunkel wird, warum sollte er, wenn er Telearbeit machen kann, nicht von hier arbeiten? Aus dieser Frage heraus wurde eine neue Marketingstrategie entwickelt, die das Erfolgsrezept der beiden gut ausgelasteten Hotels ist.

Wohnt seit drei Monaten im Playa del Sol: Martin Schouten Foto: efe
Wohnt seit drei Monaten im Playa del Sol: Martin Schouten Foto: efe

„Wenn sich die Lage nicht ändert, warte ich hier, unter der Sonne“, sagt ein Telearbeiter
EFE-Reporterin Laura Bautista sprach mit mehreren Gästen des Playa del Sol, darunter Shawn Volesky, Informatikberater aus Katalonien mit amerikanischen Wurzeln. „In Tarragona arbeitete ich schon seit vielen Jahren online, doch anstatt mich dort zu Hause einzusperren, bin ich lieber auf der Insel und habe Sonne, einen schönen Pool und kann an den Wochenenden zum Strand gehen“, sagt er. Mit seinem Laptop arbeitet er auf der Terrasse am Pool oder nimmt in seinem Apartment an Meetings teil. Volesky „wohnt“ seit vier Wochen im Playa del Sol und hat vor, mindestens einen weiteren Monat dranzuhängen. „Wenn sich die Lage nicht ändert, warte ich hier, unter der Sonne“, lacht er.
Auch der Niederländer Martin Schouten, im Zuge der Corona-Krise frühpensionierter Kabinenchef von KLM, der eigentlich in Nizza wohnt, kam zunächst für zehn Tage nach Gran Canaria und ist nun schon drei Monate lang Gast im Hotel Playa del Sol. Den Lockdown und die nächtliche Ausgangssperre ab 18.00 Uhr in Frankreich waren für ihn Gründe, seinen Aufenthalt zu verlängern. Das Hotel habe außerdem sehr interessante Angebote für Langzeitaufenthalte, und die Umgestaltung der Zimmer zu Apartments mit Küche mache die Unterbringung sehr komfortabel, berichtet er. Besonders toll finde er den beheizten Pool, in dem er jeden Morgen 45 Minuten schwimme. Danach arbeite er und nehme auch an gemeinsamen Aktivitäten mit seinen „Nachbarn“ teil, digitalen Nomaden und Hotelpersonal. Er plane, mindestens bis März zu bleiben; sollte es in Frankreich einen erneuten Lockdown geben, wird er aber nicht heimkehren, versichert er.
Aber nicht nur Telearbeiter leben und arbeiten im Playa del Sol. Kimmo Gronlund ist Dozent für Politikwissenschaften an einer finnischen Universität und hält Vorlesungen online vom Hotel auf Gran Canaria aus ab. In seiner Heimat herrschen währenddessen Temperaturen im zweistelligen Minusbereich.
Miguel Fariña freut sich für die beiden gut laufenden Hotels, auch wenn er zugibt, nicht mit einem so großen Erfolg gerechnet zu haben: „Die Pandemie hat den Wandel zur digitalen Welt beschleunigt und eine Blase zum Boom gemacht“. Für die Zukunft planen Miguel Fariña und sein Team weitere Verbesserungen, um noch stärker auf die Bedürfnisse des neuen Gästetyps einzugehen. Neue Arbeitsbereiche im Freien, ein Angebot an Freizeitaktivitäten wie Yoga und Meditation sowie ein gastronomisches Angebot gehören dazu. Vor allem aber wolle man auf die Wünsche der Kunden eingehen, versichert er. „Wir müssen uns an das anpassen, was der Gast verlangt; man muss zuhören können.“

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