Ist das Evangelium Brandstiftung?


Gedanken für mich – Augenblicke für Gott

Ein bleichgesichtiger Jüngling mit einem etwas weltfremden, verklärten und mitunter nur noch himmelwärts gerichteten Blick, so hab’ ich so manche Jesusfigur vor Augen, wie sie in vielen Kirchen oder auch in kleinen Gebetsnischen am Wegesrand stehen.

Dazu kommt ein Gesichtsausdruck, aus dem der Betrachter dann folgerichtig schließen kann, dass dieser Jesus niemandem, ja nicht mal einer Fliege etwas zu leide tun kann, dass er aber andererseits genau dadurch in unserer Welt nirgendwo so richtig zurechtkommt bzw. richtig ernst genommen wird. Und wenn wir ehrlich sind, dann gibt es viele solcher blasser, weltfremder Jesusbilder eben nicht nur als Figuren und auf Bildern, sondern schlimmer noch: eben auch in unseren Köpfen. Dabei ist mir vor kurzem wieder die Bibelstelle bei einer Betrachtung begegnet, in der Jesus zu seinen Jüngern sagt: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen und wie froh wäre ich es würde schon brennen!“ (Lk 12,49) Dieses Evangelium scheint doch wie ein Bildersturm auf all diese sanften, milden Jesus-Jünglinge zu sein, die uns mitunter so begegnen und in unseren eigenen Köpfen herumspuken. Diese Evangelienstelle zeigt uns einen Jesus aus Fleisch und Blut, mit Temperament und Feuer, von dem er will, dass es so richtig brennt. Es zeigt uns eben einen Jesus, der keinen faulen Frieden um jeden Preis machen will, schon gar nicht mit den bestehenden Verhältnissen um ihn herum.

In der Tat scheint es, als müsse dieses Feuer erst einmal vieles verbrennen – auch in uns. Es kommt doch in unserem Christsein nicht darauf an, dass wir ja immer recht „freundlich dreinschauen“, „nett zueinander sind“ und ja „niemandem auf dieser Welt in irgendeiner Form weh tun!“ Eine solch blutleere Harmlosigkeit hat nichts, aber auch gar nichts mit dem Glauben an Jesus Christus zu tun. Nein – Evangelium ist vielmehr Brandstiftung! Wir selber sollen ans Brennen kommen und zuallererst einmal wieder selbst an uns spüren, was das Evangelium alles anstecken, anmachen, ergreifen und erwärmen kann. Nehmen Sie doch in Gedanken nur mal das heran, was Sie heute oder in den letzten Tagen alles geredet und getan haben: Könnten Sie da wirklich sagen, dass da wenigstens das ein oder andere aus feuriger Begeisterung für Gottes Reich geschehen ist? Haben Sie da irgendwo wenigstens einmal ganz bewusst aus Ihrer Glaubenshaltung heraus entschieden, ja vielleicht sogar leidenschaftlich Position bezogen?

Nun denkt vielleicht die ein oder der andere von Ihnen: „Nun mach mal halblang. Erstens bin ich Dir keine Rechenschaft schuldig und zum anderen ist das mit dem Brennen und Verbrennen was Jesus da von sich gibt, doch auch reichlich dick aufgetragen!“ Da geb’ ich Ihnen in beiden Punkten recht. Aber gerade um dieses Dick-Aufgetragene geht es ja im Evangelium, und wir christlichen Leisetreter brauchen das mitunter auch. Da gibt es ja oft den mächtigen und bösen Vorwurf: „Sei doch nicht so fundamentalistisch!“ Und dieser Vorwurf – von wem auch immer ins Spiel gebracht – der versucht doch nur mich innerlich zurückzupfeifen, wenn ich mal mit meinem Christsein ernst mache und manches, was „man(n)/frau“ eben so tut nicht mitmachen will. Da geht es wirklich darum, manchem Streit, auch mancher Auseinandersetzung mit den Kindern (oder auch den Eltern und Kollegen) nicht um des lieben, aber manchmal eben auch faulen Friedens willen auszuweichen, sondern sich ihnen zu stellen.

Bleiben wir doch einfach mal im Bild: Wer ein Feuer entzündet, der muss eben auch das Risiko kennen, der muss um die Macht und Gewalt, um die Eigenart des Feuers wissen, das eben brennen, sich ausbreiten und alles erfassen will. Aber nur im Brennen kann man erfahren, wie viel Energie Feuer frei setzt, wie viel Wärme es schenkt, wie viel Wertvolles es aus taubem Gestein herauszuschmelzen vermag.

So wünsche ich Ihnen in den nächsten Tagen oder einfach auch in der Erholungsphase Ihres Urlaubs, dass das Wort Jesu vom Feuer des Evangeliums in Ihnen und Ihrem Christsein wieder etwas entfachen kann. Und ich wünsche mir auch, dass es ein anderes Bild verbrennt – nämlich jenes von den harmlosen Christen, mit denen niemand zu rechnen braucht in der Politik oder den Medien, in der öffentlichen Meinung oder bei wesentlichen Entscheidungen in der Firma oder am Arbeitsplatz, auf deren Überzeugungen und Werten man ruhig ungestraft herumtrampeln kann. Geben wir diesem Feuer des Evangeliums eine neue Chance in uns – ich glaube fest daran, dass es in Ihnen und mir genügend Nahrung findet….

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

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