Kanarische moderne Klassik im Konzerthaus Berlin


© León W. Schönau/Canarias en Berlin

Vier junge Musiker eroberten ihr Publikum

Konzertsaison ist in Berlin das ganze Jahr. Im Herbst und Winter aber reiht sich hier Abend für Abend ein Konzert ans andere. Da ist es nicht leicht, gerade an einen Montag im renommierten Konzerthaus am Gendarmenmarkt Publikum zu locken. Der deutsch-kanarische Kulturverein in Berlin „Canarias en Berlín“ hat das Risiko nicht gescheut und im Rahmen seines langjährigen engagierten Kulturaustausches zwischen den Kanaren und Deutschland nunmehr vier junge kanarische Musiker zwischen 17 und 20 Jahren, das „Cuarteto Francisco Guerrero“ aus Las Palmas, Gran Canaria, erstmals nach Berlin eingeladen.

Berlin – Das Quartett besteht aus Musikern des Jugendorchesters JOGC Gran Canaria. Wie das JOGC selbst so fördert auch die Stiftung des Philharmonischen Orchesters Gran Canaria den musikalischen Nachwuchs. Im Otto-Werner-Saal des Konzerthauses war das zahlreich erschienene Publikum besonders gespannt auf die mitgebrachte kanarische Klassik-Musik des erst kürzlich verstorbenen großen kanarischen Komponis­ten Francisco Báez (1943-2008).

Ein Quartett von Mozarts italienischer Reise

Eröffnet wurde mit W. A. Mozarts Streichquartett in G-Dur, KV 156. Es ist ja Teil seiner sechs sogenannten italienischen Quartette, bei denen Mozart auf seiner zweiten Italienreise seine „Übungen im Quartettschreiben“ fortsetzte. Von Übungen aber war beim meisterlichen Vortrag im Konzert nichts zu spüren. Man spürte deutlich, wie nahe die drei Sätze des Konzert der italienischen Sinfonia stehen. Weit ausladend, dennoch immer auf den Punkt konzentriert und gut thematisierend spielten die Musiker die Reize dieses G-Dur-Quartetts bravourös aus. Der langsame Mittelsatz überzeugte dabei besonders.

Britos Tejeda, Teror und Telde als neorealistische musikalische Bilder

Im Mittelpunkt des Konzert­abends und der Erwartung der Zuhörer stand Britos Komposition „Trilogie für Streichquartett“. Brito, der auch in seiner kanarischen Heimat weniger als Komponist, dafür mehr als Dozent bekannt und bei den Studenten außerordentlich beliebt war, konnte ab 2007 besonders als Direktor des Conservatorio Superior de Música de Canarias auch (und endlich) seine pädagogischen Erfahrungen in der Musikerausbildung voll einbringen. 1999 gründete er „Promuscan“. Diese Organisation trägt bis heute als Non-Profit-Einrichtung Britos Handschrift und kümmert sich beispielhaft um die Pflege und Erhaltung all dessen was mit „kanarischer Musik“ hier nur an­nähernd beschrieben werden kann. Britos Musik gilt als neorealistisch. Zeit seines Lebens investierte er in seine Kompositionen sehr viel Naturbeziehung und -ausdruck.

Menschlich anziehend macht seine Musik auch, dass er sich der Psychologie des musikalischen Porträtierens annahm und damit die Mentalität der Canarios szenisch interessant umzusetzen wusste. Und hier zeigten auch Aurora Cano Soto (Viola), Pablo Henriquez Medina (Violoncello), Hubertus Schade Padilla (Violine) und Alejandro Piñeiro Pérez (Violine) wie sie Brito und ihre Heimat verstanden.

Dann die Sätze des Quartetts. Tejeda: Rhythmisch sehr kräftig, manchmal fast tänzerisch, aber immer sehr schwungvoll. Teror: Deutlich kontrapunktiert, lange Passagen vielfach gezupfter Pizzicatos, dann wieder Frage und Antwort der Instrumente via Echos. Telde: Schnelle Läufe,  überraschende Zäsuren. Ingesamt: Mit sehr großem Beifall aufgenommene kontrastreiche und anschauliche  musikalische Bilder Gran Canarias.

Freude und Farbenpracht bei Dvorak

Am Schluss dieses Konzerts dann „das amerikanische Element“ des Abends (Dvorak schrieb dieses Amerikanische Streichquartett Nr. 12 in F-Dur 1893 in New York). Er, der damals auch die neue Welt entdeckte – 9. Sinfonie „Aus der neuen Welt“ – komponierte dieses Quartett unmittelbar nach der 9. Und so stehen musikthematisch Entdeckungen an, die in diesem Falle die ländliche Natur im Kontrast zu den amerikanischen Großstädten darstellen. Entsprechend intim, leicht fließend, beinahe zärtlich, gingen die Streicher zum Beispiel im „lento“ damit um. Dann wieder hoben kontrastreiche Passagen im „molto vivace ma non troppo“ die Stimmung an und die jungen Musiker vermittelten mit einigen auch solistischen Einsätzen, dass sie zu ganz eigenen Interpretationen dieses vielgespielten Stücks in der Lage sind.

Der Abend schloss mit einer Zugabe: Nichts anderes als „Teror“ von F. Brito konnte es sein, und das Publikum schien während des lang anhaltenden Applauses eine Neuerwerbung in seinem Musikrepertoire heftig zu begrüßen. Cristina Guerra, Präsidentin von „Canarias en Berlín“, sprach sicher im Namen aller den Musikern Dank und Anerkennung aus für ihre ausgezeichneten musikalischen Leistungen. Es gab eine Rose für jeden von ihnen. Und bei vielen der Wunsch nach einem nächsten kanarischen Konzertabend, mit noch mehr moderner Klassik von den Inseln.

Text: León W. Schönau/Canarias en Berlin

Über Wochenblatt

Das Wochenblatt erscheint 14-tägig mit aktuellen Meldungen von den Kanaren und dem spanischen Festland. Das Wochenblatt gilt seit nunmehr 36 Jahren als unbestrittener Marktführer der deutschsprachigen Printmedien auf den Kanarischen Inseln.