Kein Spielzeug zu Weihnachten?

Containerschiffe: In vielen Branchen ist der Nachschub ins Stocken geraten und die Produktion gefährdet. Foto: EFE

Containerschiffe: In vielen Branchen ist der Nachschub ins Stocken geraten und die Produktion gefährdet. Foto: EFE

In vielen Branchen ist die Produktion durch Lieferschwierigkeiten bei Rohstoffen und Komponenten gefährdet

Madrid – Eineinhalb Jahre Pandemiekrise haben die fein austarierten Lieferketten der globalisierten Welt ins Stocken gebracht. Das Just-in-Time-Management von Produktion und Anlieferung, das Rohstoffe, Komponenten und Waren punktgenau dann zum Kunden bringt, wenn sie in Produktion oder Verkauf benötigt werden, und dadurch eine drastische Reduzierung der Lagerbestände und -flächen beim Empfänger ermöglicht, ist durch Stopps der Produktion in Billiglohnländern wie China und durch die Veränderung der Konsumgewohnheiten empfindlich gestört worden.
Die Nachfrage, die in den Monaten der harten Einschränkungen durch die Corona-Maßnahmen eingebrochen war, läuft nun um so stärker wieder an, und bringt etliche Handelshäfen an den Rand des Kollapses.

Transportschiffe müssen nicht selten mehrere Tage warten, bis ihre Fracht entladen werden kann. Zudem haben sich die Containerpreise vervierfacht, was den Transport zusätzlich verteuert.

Viele Branchen leiden unter höheren Kosten und einer Verknappung der Güter. Dies führt dazu, dass Konsumenten in Europa und den USA Produkte, deren Verfügbarkeit bisher eine Selbstverständlichkeit war, nicht vorfinden. Dazu gehören bestimmte Fahrradmodelle, Spielzeuge, Autos, Videospielkonsolen und Sportartikel.

Eine Gallup-Umfrage, die im Juli in den USA durchgeführt wurde, ergab, dass 60% der Verbraucher in den vorangegangenen Monaten ein Produkt, das sie erwerben wollten, nicht kaufen konnten.
In Europa sieht es nicht besser aus. Die EZB ließ verlauten, dass die Knappheit an Chemikalien, Holz, Kunststoff, Metall und Chips die Inflation befeuere. Die französische Zentralbank zeigte auf, dass Versorgungsprobleme die Baubranche, die Industrie und vor allem die Kraftfahrzeugproduktion stark beeinträchtigen.

Der Europäische Verband der Automobilzulieferer vermeldet einen Rückstand der Produktion in der Autoindustrie von über einer halben Million Fahrzeugen. Werke wie Ford in Almussafes, Valencia, mussten ihre Produktion sogar wegen fehlender Halbleiter gänzlich stoppen. Die Kanaren und die Balearen-Inseln haben bereits nicht mehr genügend Mietwagen für die Touristen.

Der Spanische Verband der Spielzeugfabrikanten sieht sogar das Weihnachtsgeschäft in Gefahr. Schwierigkeiten bei der Rohstoffbeschaffung, erhöhte Frachtkosten für Teile aus Asien, und die Verzögerungen bei der Lieferung um bis zu fünf Wochen sind die Ursache. Die Spielzeuge für Weihnachten werden im Juni, Juli und August hergestellt. Die dafür nötigen Lieferungen aus China benötigen normalerweise vierzig Tage. Wenn es dabei zu Verzögerungen kommt, können einige Spielzeuge nicht in die Kataloge aufgenommen werden, die im Oktober herauskommen. Spanien hat zwar seine eigene Spielzeugindustrie – beispielsweise werden 95% aller Puppen hier hergestellt – doch die Komponenten, die dafür sorgen, dass eine Puppe weinen oder Mama und Papa sagen kann, kommen aus China, und ohne diese können die Puppen nicht fertiggestellt werden.

Die Blockierung des Suezkanals im März und die Teilschließung des Hafens Yantian, von dem aus die Hälfte aller Spielzeuge aus China verschifft werden, haben noch zur Verschärfung der Situation beigetragen.
Die Nachfrage nach Fahrrädern hat durch die Pandemiekrise einen deutlichen Aufschwung erfahren, weil die Freizeitgestaltung im Freien als Ausgleich zu der Beschränkung auf die eigenen vier Wände im Trend liegt. Der Dachverband der europäischen Fahrrad-, ­Pedelec-, Teile- und Zubehörindustrie (Conebi) berichtet, dass in 2020 35% mehr Fahrräder verkauft wurden, 22 Millionen insgesamt, davon 4,5 Millionen E-Fahrräder. Auch hier gibt es bei der Lieferung von Teilen wie Bremsen und Gangschaltungen Verzögerungen von 360 bis 500 Tagen, ebenso bei der Lieferung von Rohstoffen.

Reedereien wie die deutsche Hapag-Lloyd bemühen sich, ihre Transportkapazitäten durch den Bau von Schiffen anzupassen. Doch der Schiffsbau braucht seine Zeit, sodass vor 2023 nicht mit einer signifikanten Vergrößerung der Flotte zu rechnen ist. Die Reederei hat eine Transportkapazität von 2,8 Millionen Containern, würde jedoch 500.000 mehr brauchen.

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