Keine Klagen gegen die Regierung

Der Präsident des Obersten Spanischen Gerichtshofes, Carlos Lesmes, während seiner Ansprache zur Eröffnung des Gerichtsjahres im Beisein von König Felipe VI. am 7. September in Madrid Foto: EFE

Der Präsident des Obersten Spanischen Gerichtshofes, Carlos Lesmes, während seiner Ansprache zur Eröffnung des Gerichtsjahres im Beisein von König Felipe VI. am 7. September in Madrid Foto: EFE

Die Generalstaatsanwaltschaft hat den Obersten Gerichtshof aufgerufen, Klagen wegen des Managements der Pandemie gegen die Regierung zu den Akten zu legen

Madrid – Die Generalstaatsanwaltschaft vertritt die Meinung, dass keinerlei Grundlagen existieren, um der Regierung vorzuwerfen, sie habe sich bei ihren Maßnahmen im Rahmen der Pandemie strafbarer Handlungen schuldig gemacht. Das geht aus einer 310 Seiten starken Stellungnahme hervor, die vor einigen Tagen an den Obersten Spanischen Gerichtshof überstellt worden ist. Der stellvertretende Generalstaatsanwalt Luis Navajas hat in dem Text die Vorwürfe gegen Präsident Pedro Sánchez und mehrere seiner Minister analysiert und in allen beschriebenen Fällen festgestellt, dass diese nicht auf Straftaten zutreffen, welche die Kläger angeführt und keinerlei Fakten beigebracht haben, um die Klagen zu untermauern.
Die Staatsanwaltschaft hat den Gerichtshof aufgefordert, 20 Klagen in einer einzigen Entscheidung zusammenzufassen, weil die angeführten Handlungen gleich oder zumindest ähnlich seien und allesamt eines Fundaments entbehrten. Weitere vierzig Anzeigen – keine Klagen – in der gleichen Richtung werden Gegenstand einer anderen Stellungnahme der Staatsanwaltschaft mit einer ähnlichen Verlautbarung sein.
Die Ausführungen der Staatsanwälte besagen, dass in keinem der Fälle eine strafrechtlich relevante Verantwortung für die öffentliche Verwaltung bestehe. In mehr als einem Punkt analysieren sie, dass die getroffenen Entscheidungen für die betreffenden Fälle die richtigen waren. Ihre Informationen besagen, dass die Kläger immer wieder auf reine Annahmen oder Hypothesen zurückgreifen.
So schließt die Staatsanwaltschaft beispielsweise jegliches strafbare Verhalten von Gesundheitsminister Salvador Illa aus, was den Ankauf von Sanitätsmaterial betrifft, als sich die Pandemie auszubreiten begann. Hier geht es insbesondere um die Ausgabe von Tests an die Sicherheitskräfte. Die Kläger, die VOX-Partei sowie verschiedene Verbände, werfen den Gesundheitsbehörden die Verbreitung von defekten Materialien vor. Die Staatsanwaltschaft sieht es als erwiesen an, dass keiner dieser unwirksamen Tests, die vom Ministerium erworben worden waren, an Mitglieder der Sicherheitskräfte ausgegeben wurden. Somit sei auch der Vorwurf haltlos, das Gesundheitsministerium habe die Gesundheit der Beamten gefährdet. Ebenso wird eine Verantwortlichkeit von Innenminister Fernando Grande-Marlaska in derselben Angelegenheit verneint. Die Staatsanwaltschaft erklärte in diesem Zusammenhang, die Mitwirkung des Gesundheitsministeriums habe lediglich darin bestanden, der Handelsgesellschaft „Interpharma“ den Auftrag erteilt zu haben, das Sanitätsmaterial zu beschaffen, der von dieser auch ausgeführt wurde. Wenn also eine Verfehlung vorliege, so sei diese dem Importunternehmen anzulasten. Immerhin habe das Ministerium Vorsicht walten lassen, indem es die Lieferungen überprüfen ließ. Die Lieferung vom 21. März 2020 sei bereits am 24. März 2020 vom Institut Carlos III. getestet und seine Unbrauchbarkeit festgestellt worden.
Es wird außerdem festgestellt, dass weder Beweise existieren noch anzuzweifeln sei, dass die spanische Regierung vorhandene Daten der öffentlichen Gesundheit aus politischen oder ideologischen Gründen verschleiert oder gar gefälscht hat. Das beziehe sich sowohl auf die nationale als auch auf die regionalen Regierungen.
Die Information der Generalstaatsanwaltschaft ist insbesondere im Hinblick auf die These einiger Kläger klar und deutlich, die bestimmten Regierungsmitgliedern Tötungsdelikte und Körperverletzung durch Fahrlässigkeit oder gleichgültiges Verhalten vorwerfen.
An anderer Stelle wird unterstrichen, dass die Kläger dem Innen- und dem Gesundheitsminister Todesfälle ohne genaue Identifizierung und ohne Angabe unter welchen Bedingungen die Ansteckung erfolgte, anlasten wollen.

Ein zweischneidiges Schwert

Der Bericht der Generalstaatsanwaltschaft zugunsten der Archivierung sämtlicher Klagen, die gegen die Regierung wegen ihres Managements der Coronakrise eingereicht wurden, werde sehr detailliert vom Obersten Spanischen Gerichtshof geprüft werden, ohne Eile aber auch ohne Pause. Die Staatsanwaltschaft habe sich Zeit für ihren Bericht genommen, und dasselbe werden auch die Richter tun, hatte der Präsident des Obersten Gerichtshofes, Carlos Ledesma, bei der feierlichen Eröffnung des Gerichtsjahres Anfang September erklärt. Es handele sich um rund fünfzig Klagen und Anzeigen, welche mit der sprichwörtlichen Lupe betrachtet würden. Der Gerichtshof versuche, sich von der Polarisierung in der Analyse der Pandemie zu distanzieren. Aus Kreisen des „Tribunal Supremo“ verlautete, dass nicht immer den Kriterien der Generalstaatsanwaltschaft gefolgt worden sei. Insbesondere in Fällen, in denen ihre Repräsentanten einem starken politischen Einfluss ausgesetzt waren.

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