Knebelgesetz generiert Bußgelder in Höhe von 13,5 Millionen Euro


Abgeordnete aus der Opposition protestierten im Parlament gegen die Verabschiedung des Gesetzes für Bürger­sicherheit. Sie werfen der PP vor, unliebsame Kritik aus der Bevölkerung unterdrücken zu wollen. Foto: EFE

Bürgerinitiativen monieren die Mehrdeutigkeit des Gesetzes, die ungerechtfertigten Anzeigen Vorschub leistet

Madrid – Seit das umstrittene Gesetz für Bürgersicherheit, das im Volksmund „Knebelgesetz“ genannt wird, im Juli 2015 verabschiedet wurde, sind allein für Unstimmigkeiten zwischen Bürgern und Sicherheitskräften bis Ende 2016 Bußgelder in Höhe von insgesamt 13,5 Millionen Euro verhängt worden. Die Artikel 37-4 und 36-6 des Gesetzes, welche Respektlosigkeiten bzw. Ungehorsam den Polizeibeamten gegenüber bestrafen, kommen am häufigsten zur Anwendung.

Auf der Basis der Ordnungswidrigkeit „Respektlosigkeit gegenüber der Polizei“, die es vor der Verabschiedung des Gesetzes in Spanien nicht gegeben hat, wurden 22.627 Bußgelder in Höhe von insgesamt 3,47 Millionen Euro verhängt. Für „Ungehorsam“, einen Tatbestand, der von einem leichten zu einem schweren Vergehen erhoben wurde, kam es zu 16.405 Bußgeldverfahren mit Sanktionen von insgesamt 10,15 Millionen Euro. Der einzige Bereich, in welchem es mehr Anzeigen gibt, sind die Verfahren wegen Konsum und Besitz von Drogen und diejenigen wegen unerlaubten Führens von Waffen.

Mónica Hidalgo von der Bürgerbewegung „No Somos Delito“ (Wir sind keine Straftat) moniert: „Die Regierung hat den Polizisten die Berechtigung gegeben, gleichzeitig Richter und Kläger zu sein. Sie entscheiden selbst, was eine Respektlosigkeit ist, weil der Artikel beliebig und mehrdeutig abgefasst worden ist, geschaffen, um Proteste zu unterbinden und der Willkür Tür und Tor zu öffnen.“ „No Somos Delito“ ist eine der Protestbewegungen, die am meisten gegen das Gesetz für Bürgersicherheit mobilgemacht hat. Es wurde von der PP durchgesetzt, als sie noch die absolute Mehrheit im Parlament hatte und traf vom ersten Moment an auf den geballten Widerstand der gesamten Opposition.

Die Fraktion von Mariano Rajoy brachte das Gesetz mitten in den schwersten Zeiten der Krise ein, als die sozialen Proteste sich vervielfacht hatten, obwohl die große Mehrheit der Demonstrationen friedlich verlief. Nach den Zahlen, welche von der Regierung selbst stammen, gab es beispielsweise im Jahr 2013 nur bei einem Prozent der Demonstrationen überhaupt irgendwelche Ausschreitungen, und nur bei 0,1% wurde das Eingreifen spezialisierter Ordnungskräfte nötig.

Zudem gab es in der Bevölkerung keinerlei Unsicherheitsempfinden, das ein „Gesetz für Bürgersicherheit“ notwendig gemacht hätte. Nur 7% der Bürger sahen das Thema Sicherheit als eines der drei wichtigsten Probleme des Landes an. Dagegen waren 78,8% besorgt wegen der hohen Arbeitslosigkeit und 43,7% wegen der Korruptionsexzesse.

„Dieses Gesetz hatte niemals eine Berechtigung. Es gab kein soziales Problem. Die Einzigen, die sich unsicher gefühlt haben, waren die Banken und die Institutionen, die erlebten, wie die Bürgerschaft auf die Straße ging“, erklärt Greenpeace-Sprecher Miguel Ángel Soto. Einer der Artikel des „Knebelgesetzes“, der die Besteigung von „Gebäuden und Monumenten ohne Erlaubnis“ sanktioniert, scheint direkt auf Greenpeace und dessen spektakuläre Plakat-Aktionen zu zielen. Bisher wurde der Artikel jedoch noch nicht bei Green- peace-Aktionen zur Anwendung gebracht.

Unschuldsvermutung ausgehebelt

Das Gesetz für Bürgersicherheit hat die Sanktionierung zahlreicher Tatbestände, die zuvor in Richterhand lagen, auf die einzelnen Polizeibeamten übertragen. Der einzelne Polizist entscheidet nun, ob eine Geldstrafe verhängt wird, und der betroffene Bürger hat zunächst keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Bevor auf dem Verwaltungsweg widersprochen werden kann, muss zunächst das Bußgeld bezahlt werden – was bei den teils sehr hohen Beträgen nicht jedem möglich ist. Sodann muss erst der gesamte Verwaltungsweg ausgeschöpft sein, bevor man vor einem Gericht gegen eine ungerechte Sanktionierung vorgehen kann. Dem Beschuldigten muss also seine Schuld nicht nachgewiesen werden, sondern er muss zahlen und dann selbst nachweisen, dass er zu Unrecht sanktioniert wurde.

Der Volksanwalt hat deshalb in seinem letzten Bericht mehrere Fälle ungerechter und überzogener Sanktionen aufgelistet. Darunter den Fall eines Fotojournalisten, der sich der Guardia Civil gegenüber weigerte, seine Bilder zu löschen.

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