König mit verständigem Herzen


Gedanken für mich – Augenblicke für Gott

Können Sie sich noch an Rio Reisers Lied erinnern, in dem er besang, was er machen würde, wenn er „König von Deutschland“ wäre? Er würde nicht nur die Krone täglich wechseln, zweimal täglich ganz ausführlich baden und dies genießen, sondern auch einmal die Lottozahlen bereits eine Woche vorher bekannt geben. Das wäre doch mal eine Regierungserklärung der ganz besonderen Art.

Aber nachdem wir im deutschsprachigen Raum seit einiger Zeit keine Monarchie mehr haben und das Volk selber wählen darf, setzen die aktuellen Parteiprogramme viel differenziertere Akzente – oder auch nicht. Und außerdem ist das Leben heute im Vergleich zum Entstehungsjahr dieses Liedes (1994) doch noch eine Ecke komplizierter geworden.

Wer heute „up to date“, also auf der Höhe der Zeit sein will, der muss vor allem eines können: entscheiden! Kein König und auch keine Regierung nehmen es uns mehr ab, die großen und auch die kleinen Fragen des Lebens selbst in die Hand zu nehmen. Die Frage nach der Form einer Lebenspartnerschaft steht dabei genauso zur Klärung an wie die nach der Wahl der günstigsten Stromfarbe; die Auswahl des Berufsziels muss genau erfolgen wie die der besten Bank. Spätestens die Suche nach dem aktuell günstigsten Telefontarif für ein Ferngespräch macht auch hier klar: Die große kulturelle Errungenschaft menschlicher Freiheit kann auch ganz schön anstrengend sein. Was früher einige wenige für alle entschieden haben, das fällt eben heute auf jede und jeden Einzelnen zurück. Die wichtigsten Entscheidungen muss jede/r selbst treffen.

Der König meines Lebens bin also ich selbst. Auf der einen Seite ist das zwar wunderbar, weil es mir eben sehr viele Möglichkeiten bietet. Aber auf der anderen Seite fühle ich mich schon fast überfordert mit der Aufgabe, zur rechten Zeit eben auch die richtigen Entscheidungen zu treffen. Es ist gar nicht so leicht, in diesem Sinne ein König zu sein.

Ein König aus der Bibel spricht mir in dieser Lage eigentlich aus der Seele. Es ist Salomo, dem Gott eine Bitte gewährt und der ihm darauf antwortet: „Ich weiß nicht, wie ich mich als König verhalten soll!“ Und der junge Mann hatte es ja auch wirklich nicht leicht. Sein älterer Bruder wollte ihm die Königswürde streitig machen, etliche der hohen Beamten intrigierten ganz offen gegen ihn und dem Volk drohte die Spaltung. Wahrlich kein günstiger Ausgangspunkt für einen jungen Regenten, der da seinen Weg für sich sucht. Deshalb ist er froh, dass ihm Gott eines Nachts im Traum erscheint und ihn auffordert: „Sprich eine Bitte aus, die ich dir gewähren soll.“

Was könnte man sich in einer solchen Situation nicht alles wünschen? Den Tod der Gegenspieler, ein langes und sorgloses Leben, Reichtum oder einfach das, was sich gut macht in einer Königsbiografie, an die sich spätere Generationen noch lange erinnern sollen, weil sie untrennbar mit der Geschichte der Menschheit einhergeht. Doch Salomo entscheidet sich anders. Er weiß, dass er mitten in einem Volk steht, „das man wegen seiner Menge nicht zählen und nicht schätzen kann.“ Und er weiß auch, dass ihm dabei letztlich weder Gold noch Gewalt helfen. Salomo bittet daher nur um eines: Um ein hörendes Herz, welches es ihm ermöglicht, das Gute vom Bösen unterscheiden zu können.

Für einen jungen König klingt das reichlich reif – aber er trifft damit das Wesentliche. Die Fähigkeit zu unterscheiden ist die beste Voraussetzung dafür, sich überhaupt entscheiden zu können – und zu wissen, was man vielleicht gar nicht entscheiden muss. In der biblischen Erzählung ist Gott so erfreut über die Weisheit des Königs, dass er ihm ein solches verständiges Herz verspricht, wie es noch keiner vor ihm hatte und auch nach ihm nie mehr haben wird. Und wer die Geschichte in der Bibel weiter verfolgt hat, der wird zugeben müssen, dass sich dieses Geschenk Gottes für Salomo und sein Volk wirklich ausgezahlt hat. Noch heute sind schließlich „salomonische Urteile“ schon sprichwörtlich.

Ich bin zwar nur der kleine König meines eigenen Lebens. Aber um mich in meinem alltäglichen Allerlei zurechtzufinden, möchte ich mich doch gerne der Bitte dieses großen alttestamentlichen Königs insofern anschließen, dass ich bitte: Gott, gib mir die Gelassenheit, die Dinge anzunehmen, die ich nicht ändern kann. Gib mir den Mut, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann – und schenk mir dazu die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

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