Komm Heil’ger Geist?


Gedanken für mich – Augenblicke für Gott

„Die Geister die ich rief – werd ich nun nicht los.“ So stöhnt im Gedicht der Zauberlehrling, der den Zauberspruch vergessen hat und darum schleppen die Besen das Wasser so lange, bis es ihm wirklich bis zum Hals steht. „Bist Du denn von allen guten Geistern verlassen?“ fragen wir, wenn jemand im Begriff ist, eine große Dummheit zu begehen.

„Ich bin der Geist, der stets verneint“, sagt Mephisto in Goethes Faust. Alles Beispiele für Geist(er)erfahrungen, die wir auch heute noch machen. Es sind ungute Erfahrungen mit unguten Geistern. In mancher Hinsicht sind wir ja wirklich nur noch von Geistern umgeben, die zu allem Guten nur nein sagen. Also von guten Geistern verlassen. Und so manche Geister die wir gerufen haben, die werden wir tatsächlich nicht mehr los.

Nehmen wir doch einfach mal den Zeit-Geist. Es ist der Geist, der in der Meinung und den Köpfen der Menschen vorherrscht, der bestimmt, wie man heute denkt oder zu denken hat. Da glauben z.B. viele Wählerinnen und Wähler und mit ihnen auch so mancher Politiker, dass man den Geist des Wirtschaftswachstums ungebremst und ungehemmt ausleben kann und muss. So, als ob es immer so weitergehen könnte und gerade so, als gäbe es keine Klimakatastrophe und der Raubbau an der Natur könnte ungehindert fortgesetzt werden. Übrigens etwas, was man bei der Kommunalwahl hier in Spanien am Pfingstsonntag – zu der wir Residenten ja auch herzlich eingeladen sind – durchaus bei der Stimmabgabe bedenken sollte. Was da mitunter vorherrscht ist ein Ungeist, der uns irgendwann einmal die Rechnung präsentieren wird – und wenn nicht uns, dann unseren Nachkommen. Dieser Geist ist für mich auch ein Zeichen dafür, dass im Großen wie im Kleinen der Geist des Egoismus wirkt. „Erst ich – dann die anderen.“ Ein Ungeist, der mit dem Geist Gottes unvereinbar ist. Ein anderes Zeitgeist-Phänomen ist, dass immer mehr Menschen – auch und gerade hier auf Teneriffa – nach den vermeintlich tatsächlichen Geistern rufen: Durch Stühle- und Tischerücken, Kartenlegen, Pendeln… und dann werden sie diese Geister irgendwann nicht mehr los. Sie werden von diesen Ungeistern verfolgt, die sie abhängig machen und in tiefe Ängste führen.

Wenn wir Christen an Pfingsten nach dem Hl. Geist rufen, dann müssen wir allerdings damit rechnen, dass wir ihn auch nicht mehr so schnell loswerden. Darum finde ich es wichtig, sich erst einmal klar zu machen, auf welchen Geist man sich denn da einlässt. Woran kann man ihn erkennen? Wie wirkt er? Es ist für mich ein Geist, der Leben schafft, der uns Menschen zu einem guten und sinnvollen Leben verhelfen will. Er bewirkt all das, was dem Leben dient. Dieser Geist wird auch oft mit dem Atem Gottes verglichen, mit dem er diesem Planeten und allen Geschöpfen Leben eingehaucht hat.

Dieser Geist erfüllt uns Menschen mit Kraft; er gibt uns Mut, Gutes zu tun und für die Wahrheit einzustehen – auch und gerade dort, wo sonst nicht viel Gutes geschieht. Es ist ein Geist, der wie Feuer wirkt, das uns Menschen mit Leben und Liebe erfüllen will und das immer wieder neu entfacht werden möchte und entfacht werden kann. Es ist ein Geist, der Frieden schenkt – mit mir selbst, mit meinem Nächsten und Gott. Es ist ein Geist, der mir den rechten Weg zeigt und mich auch darauf leitet. Sicherlich: Man sieht diesen Geist nicht direkt. Man spürt ihn nur an seiner Wirkung. Den Wind sieht man ja auch nicht, sondern nur was er bewegt bzw. was er bewirkt. Man kann auch kein Feuer anfassen – und doch kann es alles in Brand setzen. Wie Sturm und Feuer wirkt dieser Geist Gottes. Er kann und will uns in Schwung und Bewegung bringen, will uns anfeuern, dass wir nicht einschlafen, sondern aktiv werden. Er kann uns trösten, aber auch verunsichern. Er kann uns aus dem gewohnten Trott werfen und uns auf die rechte Bahn bringen. Er kann laue Christen aufheizen und erhitzte Fanatiker wieder abkühlen. Gottes Geist wirkt – verborgen und doch kraftvoll. 

Die meisten von uns haben diesen Heiligen Geist einmal zugesprochen bekommen: bei ihrer Firmung oder Konfirmation. Wenn dieser Geist mit Sturm und Feuer zu vergleichen ist, dann muss man ehrlicherweise sagen: Bei vielen ist wohl inzwischen der Ofen aus und die Luft heraus. Es tut sich nichts mehr – oder zumindest nicht mehr viel. Vielleicht ist aber Pfingsten wirklich eine Chance, wieder neu um diesen Geist zu bitten. Aber Vorsicht! Wir müssen damit rechnen, dass er wirklich kommt. Wir müssen damit rechnen, dass das dann Konsequenzen hat. Wir müssen damit rechnen, dass wir ihn so schnell nicht wieder loswerden – und wir müssen uns entscheiden, wes Geistes Kind wir sein wollen: Kinder des Zeitgeistes – oder Kinder des Heiligen Geistes, jenes Geistes also der aus uns – aus Ihnen und mir – vielleicht sogar begeisterte Heilige machen kann. Wollen wir wirklich am Pfingstfest ehrlich singen: „Komm, Heil’ger Geist…“?

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

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