Korruptionsaffäre erschüttert Spanien


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Konten in der Schweiz, Geldumschläge, fragwürdiger Schatzmeister

Die geheime Buchführung des ehemaligen Schatzmeisters der Partido Popular, zu der die Zeitung El País Zugang hat und aus der sie täglich neue Aufzeichnungen veröffentlicht, löste in der Öffentlichkeit helle Empörung aus. Das Blatt erhebt schwere Vorwürfe gegen die Führungsriege der Partei, zu der auch mehrere Minister gehören. Sie sollen über Jahre regelmäßig Tausende Euro erhalten haben, die von geheimen Konten stammten. Bereits in den letzten Wochen wurden fast täglich neue Details über Schmiergeld-Affären in Spanien bekannt, die der Partei bereits einen schweren Image-Schaden zugefügt haben, weil darin überwiegend Mitglieder dieser Partei verwickelt waren.

Madrid – Doch als die Fotos von den Notizbüchern des ehemaligen Schatzmeisters der PP, Luis Bárcenas, auf der Titelseite der Zeitung erschienen, erreichte der Korruptions-Skandal zweifellos seinen absoluten Höhepunkt. Aus den Aufzeichnungen geht offenbar hervor, dass an die Mitglieder der Führungsriege der Partei über Jahre illegale Gelder geflossen sind. Wie es heißt, liegen Aufzeichnungen für den Zeitraum von 1990 bis 2008 vor, und das Geld sei hauptsächlich von großen Bauunternehmen für die Genehmigung von Immobilienprojekten geflossen.

Dreh- und Angelpunkt der Affäre ist Ex-Schatzmeister Luis Bárcenas, der Parteifunktionären jahrelang monatlich Umschläge mit Bargeld zwischen 5.000 und 15.000 Euro überreicht haben soll.

Von den 7,5 Millionen Euro, die Bárcenas gemäß seinen Aufzeichnungen angeblich für die Parteikasse erhalten hat, waren offenbar fünf Millionen illegale Spenden. Illegal deshab, weil sie gegen die Vorschriften des Gesetzes über Parteienfinanzierung von 1987 verstoßen haben. Einerseits,  weil sie den Höchstbetrag von 60.000 Euro jährlich überschritten und weil sie andererseits von Unternehmen stammten, die Dienstleistungsverträge mit der Regierung abgeschlossen hatten.

Bárcenas trat 2009 auf Drängen der Partei zurück, weil gegen ihn im Zusammenhang mit dem Korruptionsnetz Gürtel ermittelt wurde. Erst jetzt erhielt die Staatsanwaltschaft von Schweizer Banken die seinerzeit angeforderten Informationen. Diesen ist zu entnehmen, dass Bárcenas ein Konto bei einer Bank in der Schweiz unterhielt, das zeitweise ein Guthaben von 22 Millionen Euro aufwies. Als 2009 die Ermittlungen gegen ihn begannen, war ein großer Teil des Guthabens von dem Konto mit unbekanntem Ziel transferiert worden.

Die Konservativen reagierten auf die Veröffentlichungen empört. Es handele sich nicht um die Bücher der Partei. Diese habe sich bei Zahlungen an ihre Vertreter immer an die Gesetze und an die Steuervorschriften gehalten. Generalsekretärin María Dolores de Cospedal kündigte gerichtliche Schritte gegen die Zeitung an.

Ex-Regierungschef José María Aznar, Ehrenpräsident der Partei und Präsident der Stiftung FAES (Stiftung für Analysen und soziale Studien), hat bei Gericht eine Klage wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechtes gegen El País eingereicht. Aus eingeweihten Kreisen will die Zeitung erfahren haben, dass während der Regierungszeit von Aznar und später auch unter Rajoy führende Politiker der Partei Sonderzahlungen erhielten, die weder von der Partei noch von den Empfängern beim Fiskus deklariert worden seien. Das System sei von Aznar persönlich eingeführt worden, damit seine Bezüge als Parteichef nicht so hoch erscheinen sollten.

Die meisten prominenten PP-Politiker, die in der Liste als Empfänger von Schwarzgeldzahlungen erscheinen, haben inzwischen gerichtliche Schritte gegen El País angekündigt.

500.000 fordern den Rücktritt Rajoys

Die Enthüllungen der Zeitung haben unter den Bürgern eine unbeschreibliche Empörung ausgelöst, die in den sozialen Netzwerken ihren Niederschlag findet. Sie überschwemmen das Netz mit der Forderung, den Präsidenten und seine Gefolgsleute zur Verantwortung zu ziehen. Auf der Plattform www.change.org/es sind in nur 12 Stunden mehr als 500.000 Unterschriften eingegangen, die den Rücktritt Rajoys fordern. Die Verantwortlichen sind der Meinung, dass dort mehr als eine Million Rücktrittsforderungen eingehen werden.

Der Generalstaatsanwalt Eduardo Torres Dulce hat inzwischen angekündigt, dass er bereit sei, eine Untersuchung einzuleiten und die Spitze der Partido Popular, einschließlich ihres Präsidenten, zu einer Stellungnahme vorzuladen.

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