Krise bei den Sozialisten nach Wahldebakel


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Vizeregierungschef wird Nachfolger von José Luís Rodríguez Zapatero

Zwar war es allseits erwartet worden, doch als es dann tatsächlich eintrat, schlugen die Wel­­len innerhalb der Führungsspitze der regierenden Sozialisten höher als erwartet.

Madrid – Die Rede ist von dem Wahldebakel, das die „Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens“ (PSOE) am 22. Mai erlitt. Noch nie in der noch verhältnismäßig jungen Geschichte der spanischen Demokratie war das Ergebnis bei Regional- und Kommunalwahlen so niederschmetternd für die PSOE gewesen. Nicht nur verloren die Sozialisten haushoch in zahlreichen Stadt- und Gemeinderäten, sondern mussten auch auf regionaler Ebene Abschied vom Regierungssessel in Comunidades Autónomas wie Andalusien nehmen, die bislang als schier unerschütterliche Hochburgen der Sozialisten galten.

Zumindest nach außen hin nahm die Führungsspitze das Debakel relativ gefasst auf. Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero persönlich trat noch in der Wahlnacht vor die Medien und nahm die Verantwortung für das niederschmetternde Ergebnis auf sich. Überhaupt war „Verantwortungsübernahme“ eines der Schlagwörter, das als Reaktion auf die herben Stimmenverluste vonseiten sozialistischer Spitzenpolitiker in den ersten Tagen nach den Wahlen immer wieder zu hören war. Dicht gefolgt von der Feststellung, die Sozialisten verstünden es zu gewinnen, aber auch „als Verlierer“ könnten sie Haltung bewahren.

Weit weniger gefasst ging es allerdings parteiintern zu. Auf einmal schien der Geist des Zusammenhalts, der die regierenden Sozialisten in den letzten sieben Jahren auszeichnete, schlagartig verloren gegangen zu sein. Angesichts der Kommentare einiger sozialistischer Regionalbarone, wie des baskischen Regierungschefs Patxi López, mutete es gar an, dass erstmalig am Thron von Ministerpräsident und Parteivorsitzenden Rodríguez Zapatero gesägt werden sollte.

Der weitsichtigen, großzügigen und auf das Wohl der Allgemeinheit sowie der Wahrung der Parteiinteressen bedachten Haltung von Verteidigungsministerin Carme Chacón ist es zu verdanken, dass dem hochkochenden Konflikt, der nicht nur zum internen Bruch der Partei, sondern im schlimmsten Fall sogar zu vorgezogenen Parlamentswahlen hätte führen können, bereits nach wenigen Tagen ein Ende gesetzt wurde. Neben Vizeregierungschef Alfredo Pérez Rubalcaba galt sie als eines der Vorstandsmitglieder der Partei mit den größten Aussichten auf die Nachfolge von José Luis Rodríguez Zapatero. Der hatte ja bereits angekündigt, bei den im März kommenden Jahres anstehenden Parlamentswahlen nicht noch einmal als Spitzenkandidat der PSOE antreten zu wollen.

Was ein friedlicher Wettkampf um den Posten des Nachfolgers hätte werden können, war nach dem Wahldebakel jedoch mit einem Mal zum heißen Eisen geworden. Erstmalig wurden jetzt Stimmen regionaler Parteibarone laut, die die eilige Einberufung eines Parteitages forderten, um einen neuen Vorsitzenden zu wählen. Dieses Ansinnen hätte zum Ausbruch eines regelrechten internen Parteikrieges führen können. Doch diese Möglichkeit erstickte Verteidigungsministerin Chacón im Keim, als sie bereits zwei Tage später vor die Medien trat und sich nicht nur ausdrücklich hinter Ministerpräsident und Parteivorsitzenden Rodríguez Zapatero stellte, sondern auch ankündigte, von ihrem Ansinnen, seine Nachfolgerin zu werden und bei den nächsten Parlamentswahlen als Spitzenkandidatin anzutreten, zugunsten von Pérez Rubalcaba Abstand zu nehmen. „Ich werde einen Schritt zurücktreten, damit die Partei einen Schritt nach vorne machen kann“, hatte sie wenige Stunden vorher dem Regierungschef telefonisch mitgeteilt. Sichtlich bewegt meinte sie später den Medien gegenüber, ihrer Meinung nach seien gewisse Kollegen von ihr im Begriff gewesen, ein Komplott gegen den Regierungschef zu schmieden. Bei Erfolg hätte das die Einheit der Partei und Stabilität der sozialistischen Regierung gefährden können.

Mit ihrem Schritt zurück ließ sie Vizeregierungschef Alfredo Pérez Rubalcaba freie Bahn auf die Nachfolge von Rodríguez Zapatero. Und so geschah es auch. Nur wenige Tage später, am 27. Mai, wurde er vom Parteivorstand zum „besten“ und einzigen Kandidaten vorgeschlagen. Wirklich offiziell wird seine Nachfolge zwar erst, wenn er die von der Partei angesetzten „Vorwahlen“ gewinnt, aber es besteht schon jetzt kein Zweifel daran, dass er daraus als Sieger hervorgehen wird. Schließlich ist ihm die Rückendeckung aller PSOE-Parteibarone gewiss.

Der 59-Jährige, ein „alter Hase“ im politischen Geschäft und ein krisenerprobter obendrein, spricht sich nun für einen „Richtungswechsel“ seiner Partei aus. „Wir brauchen ein neues Projekt, ein Projekt, dessen Priorität eine Sorge ist, die alle Spanier teilen: die Situation des Arbeitsmarktes“, erklärte er unter anderem wörtlich. „Wir werden über neue Ideen sprechen, über eine Veränderung. Wir müssen viele Dinge verändern. Wir werden den Wohlstandsstaat modernisieren.“

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