Maria – Magd des Herrn


Gedanken für mich ­– Augenblicke für Gott

Wenn Sie diese Ausgabe des Wochenblattes in Ihren Händen halten und vielleicht sogar noch diesen Artikel lesen, dann fällt Ihnen hier auf der Insel vielleicht auch auf, dass der 15.8. noch als großer Feiertag begangen wird – zumindest in Candelaria, dem Wallfahrtsort auf Teneriffa.

Zwar werden von der Muttergottes hier keine Tränen vergossen oder sonstige Heilquellen initiiert, aber ihre Verehrung ist ganz fest in den Herzen – nicht nur der Tinerfeños – verankert.

Es ist ja schon etwas Seltsames mit und um das Marienbild in meiner katholischen Kirche. Es scheint mir, als sollte das Defizit einer durch und durch männlich geprägten Kirche, und ihr mitunter mehr als schlechtes Gewissen darüber, mit dem Gegengewicht eines gefühlsseligen Marienkultes ausgeglichen werden. Nur – biblisch ist das nicht.

Wenn wir nämlich in das „Buch der Bücher“ schauen, dann findet sich die älteste Erwähnung der Mutter Jesu in einem Paulusbrief, nämlich dem an die Galater, der wohl um das Jahr 50 geschrieben wurde. Paulus weiß also weder offenbar ihren Namen noch ihre Herkunft. Er weiß auch nichts von einer wundersamen Engelsbotschaft, geschweige denn etwas von einer „Unbefleckten Empfängnis“. Paulus will nicht mehr sagen, als dass Jesus, unser aller Erlöser, von einer Frau geboren wurde wie alle Menschen: „In allem uns gleich!“ (Gal 4,4). Und wenn wir in das älteste Evangelium schauen, dem des Markus, dann stellen wir fest, dass dieser nur zwei kurze Hinweise für überliefernswert hielt. Die Leute von Nazaret lässt er skeptisch fragen: „Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria…“ (Mk 6,3). Eine weitere Stelle spricht davon, dass die eigene Mutter ihren Sohn mit dem Druck der ganzen Sippe nach Hause zurückholen will, weil sie alle überzeugt sind: Dieser, unser Jesus, ist von Sinnen; er ist verrückt, völlig aus der Art und der Rasse geschlagen.

Setzen wir einmal – nur für einen kurzen Moment – alles dagegen, was wir bislang an Predigten über Maria, die reine Magd, gehört haben. Wir sollten es beiseitelassen, bevor wir uns jetzt weitere Gedanken machen. Denn die überschwängliche Verkündigung der Magd, Jungfrau und Mutter, die zielte in der Kirche immer nur auf Demut, auf Glaubensgehorsam und Opferbereitschaft. Das sind die großen Tugenden der Maria, die man uns und vor allem allen Frauen als nachahmenswerte Tugenden mit auf den Lebensweg gegeben hat. Ich erinnere mich, wie Frauen bei einem Einkehrtag auf das Gebet „Der Engel des Herrn“ zu sprechen kamen. Der erste Satz dieses Gebetes, das früher von allen gebetet und auch heute noch von vielen täglich verrichtet wird, lautet: „Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft – und sie empfing vom Heiligen Geist!“ Falsch, wurde mit Recht von den Frauen bei diesem Einkehrtag gesagt, denn das einfache Mädchen Maria setzte sich zuvor sehr wohl recht kritisch mit dieser Botschaft auseinander. Sie sagt eben nicht gleich „Ja und Amen“, wie uns das hier suggeriert wird. Erst nach der Klärung gibt Maria ihre Zustimmung und nur unter dieser, ihrer freien Zustimmung, kann dann die Menschwerdung Gottes beginnen.

Maria stellt sich also als eine freie, selbstbewusste Frau vor. „Knecht des Herrn“ war ein alttestamentlicher Ehrentitel für einen besonderen Menschen. Sollte das bei der „Magd des Herrn“ anders sein? Nicht auszudenken, wenn sich in der Kirche das Selbstbewusstsein Marias durchgesetzt hätte. Die autoritären Strukturen bis hin zur Disqualifikation der Frau – so sehr man das heute auch tarnen möchte – wären unmöglich gewesen.

Und dann das Lied, das der Evangelist Lukas Maria in den Mund legt. Es sind ursprünglich die Worte Hannas, die sie nach der Geburt ihres Sohnes Samuel in einen Lobgesang fasst: Gott ist es, dem wir unser Schicksal vertrauensvoll in die Hände legen können. Gott ist es, der sich schon immer der Kleinen und Schwachen annahm, um sie vor der Gewalt der Mächtigen zu schützen. Gott ist es, der das Unrecht menschlicher „Gerechtigkeit“ auf den Kopf stellt.

Sicherlich ist Ihnen aufgefallen, dass hier viel feministische Theologie vorgetragen wird. Aber so falsch kann das gar nicht sein, weil die heiliggesprochene Teresa von Avila – inzwischen immerhin zur Kirchenlehrerin erhoben – im Blick auf eine frauenfeindliche Stelle eines Paulusbriefes von Gott schreibt: „Sag ihnen, dass sie nicht eine einzelne Schriftstelle absolut setzen sollen, und dass sie nur nicht meinen, sie könnten mir damit die Hände binden.“ Schließlich spricht genau dieser Paulus ja auch an einer anderen Stelle ausdrücklich von der Gleichheit von Mann und Frau. Aber trotzdem: Wir müssen leider feststellen, dass die Bibel in ihrer Auslegung durch die Kirchenväter und die Glaubenslehrer bis heute oft als Mittel der Unterdrückung gegenüber den Frauen eingesetzt wird. Wenn wir aber die Geschichte um das Mädchen Maria richtig lesen und verstehen wollen, dann müssen wir auch die anderen Frauen der Bibel ins rechte Licht rücken. Denn wir dürfen doch nicht vergessen, welch großartige Rolle gerade die Frauen in der Zeit der ersten Gemeindegründungen gespielt haben – bis hin zur Leitung einer Gemeinde und damit auch zur Feier der Eucharistie. Ohne Frauen wäre es schon damals in dieser Kirche nicht gegangen.

Also: Ehren wir Maria, aber nehmen wir sie als Himmelskönigin nicht aus dieser Welt, sodass sie uns nur noch eine sentimentale Frömmigkeit bieten kann. Nein, sie ist die Frau, die von Anfang an deutlich gemacht hat, dass alle Frauen mit ihren Begabungen und Schwächen, mit ihren Zweifeln und ihrem Selbstbewusstsein in diese Kirche gehören, weil sie von Gott genauso berufen sind, wie wir Männer.

Herzlichst, Ihr

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

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