Mariano Rajoy – Präsident einer Minderheitsregierung


Applaus von den Abgeordneten seiner Partei für den wiedergewählten Präsidenten. Foto: efe

Er wurde mit 170 Ja-Stimmen, 111 Nein-Stimmen und der Enthaltung von 68 Sozialistischen Abgeordneten wiedergewählt

Madrid – Nach rund dreihundert Tagen politischer Blockade ist Mariano Rajoy seit dem 31. Oktober der alte und neue Präsident Spaniens. Mit den Stimmen seiner Fraktion, von Ciudadanos und der einen Stimme der Kanarischen Koalition CC stimmten 170 Abgeordnete für seine Investitur. Damit erreichte er die vorgeschriebene einfache Mehrheit. 68 Abgeordnete der Sozialistischen Arbeiterpartei PSOE enthielten sich der Stimme. Alle übrigen Parlamentarier, insgesamt 111 stimmten mit nein. Darunter auch 15 sozialistische Abgeordnete, welche die Parteidisziplin gebrochen haben, und die nun mit einer Strafe oder mit einem Disziplinarverfahren rechnen müssen.

Rajoy muss nun in der Minderheit regieren und sieht sich einem Parlament gegenüber,  das entschlossen ist, eine Reihe von umstrittenen Gesetzen aufzuheben, welche dank der absoluten Mehrheit der Regierung beschlossen worden waren, über die er bis Dezember 2015 verfügte. Die wichtigste Oppositionspartei, die PSOE, dagegen ist tief gespalten und ohne Führer, nachdem Pedro Sánchez zum Rücktritt gedrängt worden war.

Von der Rednertribüne aus ließ Rajoy wissen, dass er nicht bereit sei, das zu ändern, was er in den vier Jahren erreicht habe, als er über die absolute Mehrheit verfügte. Ein Jahr, nachdem die Wahlen von 20. Dezember 2015 ausgerufen wurden, hat es weder die Linke noch haben es die neu aufgestiegenen Parteien geschafft, Rajoy und die Partido Popular aus der Regierung zu vertreiben. Die Opposition ist untereinander zerstritten, und es steht der Beginn einer Legislaturperiode mit Streit und heftigen Diskussionen ins Haus.

Der PP-Chef hat durchgehalten und gegen „alle anderen“ gewonnen. Er erhielt Standing Ovations von seiner Fraktion, die ihn für seinen Erfolg, wiedergewählt worden zu sein, beglückwünschte, auch wenn sie sich jetzt klar in der Minderheit befindet.

„Spanien benötigt mehr als eine simple Investitur“, erklärte Rajoy von der Rednertribüne aus und gab sich als dialogbereiter Präsident. Gleichzeitig sprach er eine versteckte Warnung aus: Er habe die Macht, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen ab Mai nächsten Jahres auszurufen, wenn man ihm das Regieren unmöglich mache. „Versuchen Sie nicht, mich zu etwas zu zwingen, das ich nicht akzeptieren kann“, sagte er wörtlich.

Während die Abgeordneten im Parlament über die Zukunft der Regierung abstimmten,  protestierten in der Umgebung des weitläufig abgesperrten Gebäudes mehrere Tausend Menschen mit Transparenten gegen eine Wiederwahl Rajoys.

Vereidigung

Am Montagvormittag legte Mariano Rajoy vor König Felipe im Zarzuela-Palast seinen Amtseid ab. Er erschien in Begleitung des amtierenden Justizministers Rafael Catalá, der als Notar fungierte. Die Präsidenten von Kongress und Senat, des Obersten Gerichtshofes und des Verfassungsgerichts sowie zahlreiche hohe Würdenträger waren anwesend, als der Präsident seinen Eid auf die Bibel schwor. Die Zeremonie dauerte etwa vier Minuten und war die erste, die vor Felipe VI. stattfand. Nach seiner Wahl im November 2011 war Mariano Rajoy noch von König Juan Carlos vereidigt worden. Königin Letizia war nicht anwesend. Sie nahm am Weltkongress gegen den Krebs teil, der zum gleichen Zeitpunkt in Paris stattfand.

Am 31. Oktober legte Mariano Rajoy vor König Felipe seinen Amtseid ab. Foto: EFE
Am 31. Oktober legte Mariano Rajoy vor König Felipe seinen Amtseid ab. Foto: EFE

Glückwünsche aus aller Welt

Nach seiner Wahl erhielt Mariano Rajoy zahlreiche Glückwünsche, doch nur Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlaments und der mexikanische Regierungschef Enrique Peña Nieto, riefen ihn persönlich an. Alle übrigen Gratulanten übermittelten Glückwunschtelegramme oder ließen entsprechende Erklärungen abgeben. Steffen Seibert, der Sprecher der deutschen Kanzlerin, gab im Namen von Angela Merkel eine längere Erklärung ab. Sie vertraue darauf, dass Spanien seine Stimme wieder deutlich hören lasse, um die Zukunft „unserer Europäischen Union“ zu garantieren. Sie sei sich der Tatsache bewusst, dass ein „amtierender Präsident“ sich nicht mit so viel Nachdruck einsetzen kann, wie ein Regierungschef, der vom Parlament gewählt wurde und sein Mandat erhalten hat. „Jetzt ist Mariano Rajoy in Europa in einer stärkeren Position“, erklärte Seibert unter anderem, der die Erklärung zum Beginn der üblichen montäglichen Pressekonferenz verlas.

In fast einem Jahr der politischen Blockade der viertstärksten Wirtschaftsmacht der Eurozone, hatte sich die deutsche Regierung jeder öffentlichen Verlautbarung enthalten, um sich nicht in die innenpolitischen Verhältnisse eines EU-Mitglieds einzumischen. Doch immer wieder hatten Politiker und Unternehmer unterstrichen, dass eine stabile Regierung in Spanien von allgemeinem Interesse sei. Der Sprecher der Kanzlerin erinnerte daran, dass die beiden Regierungschefs seit Jahren ein tiefes Vertrauensverhältnis verbinde. „Rajoy hat durch seine Politik wesentlich dazu beigetragen, dass Spanien auf den Weg des Wirtschaftswachstums und der Schaffung von Arbeitsplätzen zurückkehren konnte“, heißt es unter anderem in der Erklärung.

Auch der Sprecher der Europakommission, Maragritis Shinas, begrüßte die Wahl Rajoys, äußerte sich jedoch nicht über die anstehenden Einsparungen von 5,5 Milliarden Euro im Haushalt von 2017. Man warte jetzt, bis das Kabinett gebildet sei. Dann werde Kontakt mit den neuen Ministern aufgenommen, um das „politische Menü“ kennenzulernen, erklärte Shinas den Medienvertretern.

Einer der ersten Gratulanten war übrigens Nicolás Maduro aus Venezuela, eingeschworener Erzfeind Rajoys. Er hoffe für diese neues Etappe auf eine wirtschaftliche und soziale Zusammenarbeit zum Wohle beider Völker, ließ er wissen.

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