Peppone und sein Gottesbild


Gedanken für mich – Augenblicke für Gott

Kennen Sie auch die herrlichen Geschichten von Don Camillo und Peppone? Nicht nur, dass sie zur Weltliteratur zählen; nein, die Verfilmungen mit den sehr markanten Schau­spielern Fernandel und Gino Cervi sind für die, die sie gesehen haben, unvergesslich.

Hauptdarsteller sind: Don Camillo, der katholische Pfarrer der kleinen italienischen Stadt Brescello (ungefähr in der Mitte des Dreiecks Parma, Modena und Mantua gelegen) sowie Peppone, ihr kommunistischer Bürgermeister und – sowohl ewiger Widersacher als auch Freund von Don Camillo.

In einer Episode geht es um den kleinen Sohn von Peppone. Der ist so schlimm von einem Stein am Kopf getroffen worden, dass er im Krankenhaus liegt und man nicht weiß, ob er diese Verletzung überleben wird. Wie es so ist: Die Kinder hatten sich geprügelt und der Sohn eines Großgrundbesitzers warf den Stein… Es geht also um Leben und Tod. Kein Wunder, dass da auch ein kommunistischer Bürgermeister den Weg in die Kirche findet. Peppone bringt Kerzen, um sie für seinen Sohn aufzustellen und bittet Don Camillo, diese zu entzünden. Der geht mit den Kerzen zum Kreuz, um sie dort anzubrennen. Aber das lässt Peppone sich nicht gefallen. „Nein“, sagt er und zeigt auf das Kreuz, „nicht vor dem da. Das ist einer von euch. Vor der da“, und dann zeigt er auf Maria, „das ist eine von uns.“

Eine komische Geschichte. Da wendet sich der kommunistische Bürgermeister, wenn er sich nicht mehr zu helfen weiß, tatsächlich an Maria. Wobei die eigentlich problematische Frage für mich an dieser Geschichte ist: Weshalb misstraut Peppone eigentlich Jesus und zieht Maria ihm vor? Zum einen wird es wohl daran liegen, dass in Peppones Augen Jesus einer von denen da oben ist. Eben der Herr. Und das Wort „Herr“, das ist bei ihm einfach negativ besetzt. In den Ohren eines kleinen kommunistischen Bürgermeisters der Po-Ebene im Jahre 1950 schwingt bei dem Wort „Herr“ eben immer noch mit: Mächtige, die das Geld haben; Großgrundbesitzer, die das Sagen haben und mit denen man seit Jahrzehnten im Clinch liegt. Nicht von ungefähr kam ja auch der Steinwurf vom Sohn eines „solchen Herren“! Nein – Herr, das ist für Peppone einer von Oben, einer der herrscht und das meist nicht zu Gunsten derer, die unten sind. Und genau von solchen Herren will er nichts wissen. Dazu kommt auch noch, dass der Herr ein Mann ist. Damit aber hat Peppone gleichfalls so seine Schwierigkeiten.

Bei Maria ist das eben anders. Sie ist eine Frau, ein Mädchen aus dem Volk – genau wie Peppone selbst. Ihr kann er weit eher sein Leid klagen, ihr kann er sich ganz anders anvertrauen, denn: Sie ist eine Frau. Einem Mann gegenüber würde er sich da unsagbar schwertun. Übrigens geht das nicht nur ihm so, und das gilt auch nicht nur für Italien oder eine bestimmte Region. Wenn man sich z.B. im deutschsprachigen Raum umschaut, dann stellt man immer wieder verblüfft fest, auch hier sind die meisten Kerzen vor den Marienaltären aufgestellt – und das nicht nur im Marienmonat Mai. Nein, auch bei uns wenden sich Menschen in ihrer Not lieber an Maria als an Jesus. Dass dies so ist, das liegt für mich sicherlich auch daran, dass das christliche Gottesbild so einseitig männlich ist. Der Dreifaltigkeit kann man eben lange nicht so gut seine Probleme erzählen und sein Leid klagen, wie z.B. einer Frau und Mutter, wie eben Maria. Als Mann und Vater finde ich das mehr als schade und ich weiß auch, dass diese klassische Aufteilung nicht in jedem Einzelfall so sein muss. Aber es wäre vermessen zu sagen, dass es diese Aufteilung von männ-lich und weiblich nicht gäbe und sie keine Rollen spielten.

Was Peppone nun nicht wissen konnte und was auch die meisten Christen heute nicht wissen ist, dass das christliche Gottesbild gar nicht so einseitig männlich ist. Wenn man nämlich in der Bibel in den allerersten Vers schaut, dann steht dort: „Und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser.“ Dieser erste Vers ist für das christliche Gottesbild sehr wichtig, weil wir ja auch vom Heiligen Geist als Gott sprechen. In der Übersetzung des Urtextes müsste es aber heißen: „Und die Geistin Gottes schwebte über dem Wasser.“ Im hebräischen Urtext steht nämlich für das Wort Geist „ruach“ – und das ist weiblich. Also: So männlich dominant ist das christliche Gottesbild gar nicht, auch wenn es lange Zeit verpönt war, dies zum Ausdruck zu bringen; aber das lag halt an den patriarchalischen Gesellschaftsstrukturen. Die Theologen – und das waren über Jahrhunderte hinweg in erster Linie auch nur Männer – haben die weiblichen Attribute Gottes meist verschwiegen oder sie bei den Übersetzungen umgemünzt.

Aber wie es auch sei: Ob Gott nun der gütige Vater oder die liebende Mutter ist – Hauptsache sie oder er ist da und ich kann mich an ihn oder sie wenden. Da ist jemand, dem ich wichtig bin, der mir sein Ohr leiht. Peppone würde dies – nach dieser Erklärung – sicherlich auch so sehen.

Ihr

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

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