Polemik um Text für Spaniens Nationalhymne


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Ein Textvorschlag des Nationalen Olympischen Komitees musste wieder zurückgezogen werden

Seit Jahrzehnten können Spaniens Profisportler, wenn zum Auftakt der Spiele bzw. bei den Siegerehrungen die Klänge ihrer Nationalhymne zu hören sind, bestenfalls mitsummen, denn die „Marcha Real“ oder „Königlicher Marsch“ wie die spanische Nationalhymne übersetzt heißt, verfügt über keinen offiziellen Text.

Madrid – Jedenfalls nicht mehr, der letzte, der in Gebrauch war, ist nämlich zu eng mit der Franco-Diktatur verbunden, als dass er in der heutigen Demokratie als akzeptabel empfunden werden könnte.

Um den Sportlern nun aber dennoch und möglichst noch vor den nächsten Olympischen Spielen in Peking die Chance zu geben, ihre Hymne auch wirklich mitsingen zu können, schrieb das Nationale Olympische Komitee (NOK) zusammen mit dem spanischen Autorenverband SGAE bereits vor Monaten einen Wettbewerb für einen offiziellen Text aus. Wahrlich kein leichtes Unterfangen, denn der Text sollte nicht nur literarisch gut klingen und leicht mitzusingen sein, sondern vor allem „neutral und integrativ“, kurz politisch korrekt sein.

Etwas über 7.000 Vorschläge gingen ein. Und die Jury, bestehend aus einem Komponisten, einem Musikwissenschaftler, einem Historiker, einem Verfassungsrechtler, einer Literaturprofessorin und einer Olympiasiegerin, ist allem Anschein nach fündig geworden, denn am 12. Januar gelangte der ausgesuchte Text bereits in die Medien.

Es handelte sich dabei zwar noch nicht um eine offizielle Präsentation, die Verantwortlichen wollten jedoch, so erscheint es jetzt jedenfalls, aus den Reaktionen erkennen, ob ihre Wahl beim Volk ankommen würde. Damit lagen sie sicher nicht ganz falsch, denn die Reaktionen auf den neuen Text waren durchweg so ablehnend, dass er nach einer Woche der Polemik zurückgezogen wurde.

Mindestens 500.000 Unterschriften von Befürwortern muss ein Hymnen-Text erreichen, um zu seiner Abstimmung dem Abgeordnetenkongress vorgelegt werden zu können. Und das dürfte in diesem Fall kaum möglich gewesen sein, denn sowohl auf gesellschaftlicher als auch auf politischer Ebene fiel die Freude, endlich einen Text für den „Königlichen Marsch“ zu haben, mehr als verhalten aus.

Autor des umstrittenen Textes, in dem das obligatorische „Viva España“ eine herausragende Rolle spielt und von grünen Tälern, einem immens großen Meer, blauem Himmel und Vaterlandsliebe gesprochen wird, ist ein 52-jähriger Arbeitsloser aus Ciudad Real, der seine Freizeit gerne mit Dichten verbringt.

Paulino Cubrero erfuhr von seinem Sieg aus dem Fernsehen.

„Mensch, das ist ja meiner, ich kriege gleich einen Herzinfarkt“, soll er immer wieder gerufen haben. „Ihr hättet wohl erwartet, dass ich von Blut und Fahnen spreche“, hielt er den Journalisten bei einer eiligst einberufenen Pressekonferenz entgegen, als die ersten Spannungen um seinen Text bereits zu spüren waren.

Den einen gefällt er mehr, den anderen weniger, einigen erscheint er „langweilig“, andere halten die Entscheidung für „voreilig“. Viel schwerer wog jedoch sicher die Kritik, er ähnle zu sehr dem Hymnen-Text, den José María Permán 1928 schrieb und der in abgeänderter Form in der Franco-Diktatur gesungen wurde. IU-Chef Gaspar Llamazares meinte diesbezüglich wörtlich: „Würde Permán auferstehen, würde er den Autor anzeigen, weil er seine ranzigen Verse plagiiert hat.“

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