Interessenkonflikt bei der Ausarbeitung der Steuerreform
Nachdem die Expertenkommission einen Empfehlungsbericht zur Steuerreform präsentiert hat, kristallisiert sich zunehmend heraus, dass die geplante Neuregelung zwischen Finanzminister Cristóbal Montoro und Wirtschaftsminister Luis de Guindos ausgefochten werden muss.
Madrid –
Die Expertenmeinung
Im März stellte das Team um Manuel Lagares, Professor für Öffentliche Finanzen, die Empfehlungen für die anstehende Steuerreform vor. Die Experten raten insbesondere zu einer Senkung der Einkommen-, Unternehmens- und Vermögenssteuer, um die Wirtschaft anzukurbeln. Weil Spanien jedoch in den kommenden zwei Jahren das Defizit um 30 Milliarden Euro abbauen muss und sich einen Rückgang der Einnahmen nicht leisten kann, schlagen die Wirtschaftsweisen auf der anderen Seite eine Anhebung der Mehrwertsteuer durch Aufhebung der reduzierten Sätze, die Einführung neuer Umweltsteuern, die Anhebung der Grundbesitzabgaben sowie die Abschaffung der Mehrzahl aller Abschreibungsmöglichkeiten und Steuervergünstigungen vor.
Unterm Strich sollen nach der Meinung der Experten zunächst die fehlenden Einnahmen auf der einen Seite durch das Einnahmeplus auf der anderen Seite ausgeglichen werden, durch den wirtschaftlichen Aufschwung soll sogar nach und nach mehr in die Staatskasse fließen.
Zu einem späteren Zeitpunkt sollte die Regierung eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge mit gleichzeitiger Anhebung des generellen Mehrwertsteuersatzes in Erwägung ziehen.
Was zählt wirklich?
So weit die Einschätzung der Experten. Doch in der Regierung der Partido Popular (PP) ist man sich weitgehend darüber einig, dass die endgültige Reform anders aussehen und zwischen Finanzminister Cristóbal Montoro und Wirtschaftsminister Luis de Guindos entschieden wird.
Montoro denkt wie ein Politiker und hat bei der Ausarbeitung der Steuerreform deren Auswirkungen auf die Wählergunst und somit das Ergebnis der Parlamentswahlen im kommenden Jahr im Auge.
De Guindos dagegen ist ein reiner Wirtschaftsexperte und Technokrat, der aufgrund seiner Position gegenüber der Europäischen Kommission Stellung beziehen muss und auch den Vorsitz der Euro-Gruppe im Visier hat.
De Guindos stimmt mit Brüssel und den Experten überein und plädiert für eine Senkung der Einkommensteuer mit gleichzeitiger Anhebung der Mehrwertsteuer durch Streichung der reduzierten Sätze.
Doch Montoro wehrt sich gegen die bei der Bevölkerung unbeliebte, jedoch von Brüssel geforderte Erhöhung der Mehrwertsteuer und spielt auf Zeit. Der Finanzminister hat es gar nicht eilig, die von Rajoy für März zugesagte Steuerreform auf den Weg zu bringen. Und zwar aus zwei Gründen: Zum einen nähert sich die Amtszeit der von Hardliner Olli Rehn geführten EU-Kommission ihrem Ende, und Rehn interessiert sich entschieden mehr für seine Kandidatur als Europa-Abgeordneter als für den Europa-Gehorsam Spaniens. Zum anderen geht Montoro davon aus, dass die Mehrwertsteuer-Einnahmen steigen werden und dieser Zuwachs in Brüssel als Argument gegen eine Erhöhung eingesetzt werden kann.
Montoro wird in seiner Ablehnung gegen die Mehrwertsteuer-Anhebung von Unternehmens- und Angestelltenvertretern unterstützt, die bei Streichung der reduzierten Sätze für ihren Wirtschaftszweig ein ähnliches Debakel befürchten wie im Kultursektor.
Strategiespiel
Im April soll dem Ministerrat ein erster Entwurf vorgelegt und somit kurz vor den Europawahlen offiziell die gute Mitteilung zur Senkung der Einkommensteuer überbracht werden.
Doch de Guindos hat sich im Namen von Spanien gegenüber der EU verpflichtet, in diesem Jahr die Einnahmen zu erhöhen, sodass danach unpopuläre Entscheidungen zu treffen sind. Das durch die Senkung der direkten Steuern verursachte Einnahmen-Minus wird nicht nur ausgeglichen sondern übertroffen werden müssen.
Mittlerweile wird eine endgültige Entscheidung und ein konkreter Gesetzentwurf nicht vor dem Sommer erwartet.
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