Präsident Rajoy bestätigt die Rücknahme des Abtreibungsgesetzes


© EFE

Weil ein Konsens nicht zu erreichen war

Der spanische Regierungschef Mariano Rajoy hat in der letzten Septemberwoche bestätigt, dass der Entwurf zur Reform des Gesetzes über Schwangerschaftsunterbrechung, der vom Justizministerium ausgearbeitet wurde, zurückgezogen wird. Es sei nicht der erforderliche Konsens erreicht worden, um das Gesetz voranzubringen, begründete er den Beschluss der Regierung.

Madrid – Stattdessen, so gab Rajoy bekannt, werde die derzeit gültige Normative, die 2010 von der Regierung Zapatero verabschiedet wurde, eine Änderung erfahren. Es geht darum, dass minderjährige Mädchen von 16 und 17 Jahren zukünftig die Zustimmung der Eltern benötigen, wenn sie eine Schwangerschaft abbrechen wollen. In der Fassung der sozialistischen Regierung war es auch Minderjährigen über 16 Jahre erlaubt, ohne Wissen und Zustimmung der Eltern eine Abtreibung vornehmen zu lassen. Der Präsident kündigte in diesem Zusammenhang einen Plan zum Schutz der Familie an, der noch vor Jahresende „das Licht der Welt“ erblicken soll.

Der Regierungschef hat diese Nachricht persönlich bekannt gegeben, weil es sich um die  relevanteste Entscheidung handelt, die er während seines Mandats treffen musste. Die Erklärung an die Informationsmedien gab er nach seiner Teilnahme am Weltkongress der Public Relations ab, der dieser Tage in Madrid stattfand. „Ich glaube, dass ich die vernünftigste Entscheidung getroffen habe“, erklärte er.

Aus dem Justizministerium verlautete, man habe damit gerechnet, dass Rajoy diese Entscheidung bekannt geben werde und betrachte es als logisch, dass es der Präsident persönlich sei, der die Rücknahme des Reformtextes bekannt gebe.

Den Entwurf des Abtreibungsgesetzes hatte Präsident Rajoy bei Justizminister Alberto Ruiz-Gallardón in Auftrag gegeben, und eine erste Version wurde bereits am 20. Dezember 2013 vom Ministerrat abgesegnet. Seit diesem Tag wurde dieses Gesetz sozusagen zum Zankapfel der Nation. Nicht nur die Oppositionsparteien lehnten die Neufassung des Gesetzes in aller Form ab, und auch verschiedene Sektoren der Regierungspartei Partido Popular waren dagegen. Auch weite Teile der Bevölkerung waren gegen eine Verschärfung der gesetzlichen Bedingungen für einen Schwangerschaftsabbruch. Ein schwer überwindbares Hindernis für erfolgreiche Wahlen im kommenden Jahr.

Das reformierte Gesetz hätte einen Rückschritt von etwa dreißig Jahren in den Bestimmungen über die freiwillige Schwangerschaftsunterbrechung bedeutet und beispielsweise das derzeit gültige System der Fristenregelung (das Recht der Frau, über einen Abbruch in den ersten 14 Schwangerschaftswochen frei zu entscheiden) außer Kraft gesetzt. Vorgesehen war eine Rückkehr zum System von 1985 mit der Einführung einiger Verschärfungen.

Der umstrittenste Punkt des Gesetzentwurfs war zweifellos die Streichung des legalen Abbruchs bei Missbildung des Fötus. Den betreffenden Frauen sollte auferlegt werden, zusätzlich ein weiteres Motiv nachzuweisen, wie beispielsweise einen psychologischen Schaden – ein schwieriges und langwieriges Unterfangen.

Im Wahlprogramm 2011 der Partido Popular war recht vage eine Reform des Abtreibungsgesetzes versprochen worden…. „Den Schutz des Lebens und der Minderjährigen verstärken“, hieß es dort.

Das Abtreibungsgesetz – die Geschichte eines Fiaskos

Das Gesetz zur Reform der Schwangerschaftsunterbrechung bedeutet das größte politische Fiasko in dieser Legislaturperiode. Es wurde „angeschoben“, um die konservative Wählerschaft zufriedenzustellen, und seine überaus hürdenreiche Abstimmung in den verschiedenen Gremien sowie schließlich die Rücknahme nach drei Jahren Diskussion löst bei der Linken, beim Zentrum und jetzt auch bei der Rechten Verwunderung und Kopfschütteln aus. Dabei ist die politische Karriere von Alberto Ruiz-Gallardón auf der Strecke geblieben. Er hatte einen Auftrag des Regierungschefs Rajoy ausgeführt und dann alles versucht, das Gesetz durchzubringen. Zu Beginn des Sommers sah er wohl ein, dass er auf verlorenem Posten stand und bat den Präsidenten, ihn zu entlassen. Der hatte ihm Umfrageergebnisse vorgelegt, die offenbar empfahlen, auf das Gesetz zu verzichten. Doch er bat ihn, durchzuhalten. Das Endergebnis blieb dasselbe: Ein Fiasko und der Rücktritt eines Ministers.

Als Gallardón den Auftrag erhielt, das besagte Gesetz zu entwickeln, das eigentlich Kompetenz des Ministeriums für Gesundheitswesen und Gleichheit gewesen wäre und nicht des Justizministers, sahen Eingeweihte darin ein „vergiftetes Geschenk“ für Gallardón, den ewigen Aspiranten auf den Thron Rajoys. Schon 2012 waren Parteifreunde davon überzeugt, dass dieser Auftrag das politische Grab Gallardóns sein werde. Andere dagegen glaubten, er wolle ihn nutzen, um sich mit der politischen Rechten und den rechtsgerichteten Medien zu versöhnen, die ihm wegen seines gemäßigten Profils den Rücken gekehrt hatten. Jedenfalls glaubte er an seine Rolle und verteidigte seinen Entwurf des Abtreibungsgesetzes vor sämtlichen Foren, während er in den Umfragen nach und nach unterging und schließlich seinen Rücktritt erklärte.

Inzwischen hat Präsident Rajoy mit Rafael Catalá Polo einen Nachfolger für das Justizministerium ernannt. Eingeweihte sind jedoch der Meinung, dass er über die Umbildung seines Kabinetts nachdenkt, denn mehrere Minister leiden unter politischen „Abnutzungserscheinungen“.

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