Premiere auf der internationalen Bühne


© EFE

Rajoy präsentierte US-Finanzminister und EU-Regierungschefs in Marseille seine Lösungswege aus der Krise

Noch war Mariano Rajoy nicht offiziell zu Spaniens neuem Präsidenten gekürt, doch Anfang Dezember schlüpfte er zumindest auf internationaler Bühne schon einmal in diese Rolle und stellte seine ambitionierten Pläne zur Rettung des Landes in Marseille sowohl dem US-Finanzminister Timothy Geithner, diversen Regierungschefs Europas und der Spitze der Europäischen Volks­partei (EVP) vor.

Marseille – Zustimmung aus den USA

US-Finanzminister Timothy Geithner legte auf seiner Europa-Rundreise am 7. Dezember einen Zwischenstopp in Marseille ein, um sich persönlich mit Spaniens designiertem Präsidenten Mariano Rajoy zu treffen. Nachdem Geithner die Glückwünsche Obamas zum Wahlsieg überbracht hatte, erklärte Rajoy seinen Plan zur Bewältigung der Wirtschaftskrise mit den Kernpunkten Reduzierung des öffentlichen Defizits, Reform des Arbeitsrechts und Restrukturierung des Finanzsystems. Der Vertreter der US-Administration interessierte sich insbesondere für die Situation der spanischen Banken und berichtete Rajoy über seine eigenen Erfahrungen, nachdem die USA im Verlauf der Krise Milliarden in private Banken gesteckt und diese teilverstaatlicht haben. Zum Abschluss erklärte Geithner, er stimme der Analyse Rajoys zu und befürworte dessen Pläne. Nach dem rund 35-minütigen Treffen strahlte ein höchst zufriedener designierter Präsident in die Kameras, während er dem US-Finanzminister abschließend die Hand drückte.

Bitte um „sofortige und unverzügliche Hilfe“ an die EU

Am 8. Dezember traf sich Rajoy zunächst mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, dem polnischen Präsidenten Donald Tusk, dem EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Durão Barroso und anderen Staatsoberhäuptern; später dann hielt er auf dem XX. Gipfeltreffen der Europäischen Volkspartei (EVP) eine an das Plenum gerichtete Rede.

Ob im persönlichen Gespräch mit den Regierungschefs oder öffentlich vor dem Rednerpult – vor allem bat Rajoy die EU-Partner um „sofortige und unverzügliche“ Hilfe, um die Staatsverschuldung zu bremsen. Er sprach es zwar nicht aus, aber konkret wünscht er sich eine massive Intervention der Europäischen Zentralbank (EZB), die bisher insbesondere von Angela Merkel abgelehnt wurde. Doch das Aufkaufen staatlicher Schuldscheine seitens der EZB und die einhergehende Finanzspritze in das Land würde die Risikoprämie senken und das Vertrauen der Anleger in Land und Unternehmen stärken.

Im Gegenzug versprach Rajoy vor allem die strikte Einhaltung der Defizitgrenze. Außerdem garantierte er tiefgreifende Reformen in der Haushalts- und Finanzpolitik und im Arbeitsrecht sowie eine weitere Restrukturierung des Finanzsektors: Zum Ziel der neuen Haushalts- und Finanzpolitik erklärte Rajoy die Einhaltung des vorgegebenen Defizits, denn stabile öffentliche Kassen seien Voraussetzung für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Hinsichtlich des Arbeitsmarktes äußerte Rajoy, dessen fehlende Flexibilität erschwere die Wiedereingliederung derjenigen, die ihren Arbeitsplatz verloren hätten, und die Schaffung von Arbeitsplätzen für junge Menschen. Eine tiefgreifende Reform des Arbeitsrechts solle hier Abhilfe schaffen. Als weiteres dringendes drittes Anliegen nannte Rajoy eine weitere Restrukturierung des Finanzsektors. So wolle er die Kreditvergabe ankurbeln, gleichzeitig die Kontrolle der Finanzinstitute verstärken. Der Kreditfluss müsse umgehend in Gang gebracht werden, damit die Unternehmen investieren und Arbeitsplätze schaffen könnten.

Der designierte Präsident versicherte, alle Spanier hätten das gleiche Ziel und das Land werde die große Herausforderung meistern. Er bat um Vertrauen und etwas Zeit. Und erinnerte an die Aznar-Regierung, die zwischen 1996 und 2004 die Arbeitslosigkeit um die Hälfte gesenkt, einen ausgeglichen Haushalt erreicht und die Staatsverschuldung erheblich verringert habe.

Während sich im eigenen Land empörte Stimmen erhoben, Rajoy habe den Spaniern seine konkreten Pläne im Vorfeld, während und nach der Wahl, vorenthalten, präsentiere sie jedoch jetzt den EU-Partnern, schloss der designierte Präsident als letzter Redner vor einem halbleeren Saal (alle Staatsoberhäupter, inklusive Merkel und Sarkozy waren schon gegangen) seinen Vortrag. Trotzdem verlor Rajoy nicht sein breites Lächeln, das er an den beiden Tagen in Marseille auf den Lippen hatte, verfügt er doch – ganz im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Staatsführern – über eine absolute Mehrheit im Parlament.

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