Rentenreform steht


Auf die letzte Sekunde: Einigung zwischen Regierung und Gewerkschaften

So wirklich hatte kaum einer daran geglaubt, aber kurz vor dem Ablauf der von der Exekutive gesetzten Frist am 28. Januar kam es doch noch zu einer Einigung zwischen Regierung und Gewerkschaften hinsichtlich der Rentenreform.

Madrid – Das gesetzliche Rentenalter wird erhöht, der Zugang zur Höchstrente durch Verlängerung der geforderten Beitragszeit erschwert und die Durchschnittsrente durch Erweiterung des Berechnungszeitraumes gesenkt.

Im Einzelnen sieht das Reformpaket Folgendes vor:

Das gesetzliche Rentenalter wird auf 67 Jahre und die zum Bezug der vollen Rente nötige Beitragszeit auf 37 Jahre angehoben. Folglich wird nur, wer spätestens ab 30 kontinuierlich gearbeitet und Beitrag geleistet hat, mit 67 den Höchstsatz beanspruchen können.

Jedoch können Arbeitnehmer bereits mit 65 Jahren in die volle Rente gehen, wenn sie 38,5 Jahre in die Sozialversicherung eingezahlt haben. Voraussetzung ist also, ab spätestens 26,5 Jahren ununterbrochen gearbeitet und eingezahlt zu haben.

Für risikoreiche und gesundheitsschädliche Berufe beträgt das Rentenalter 65 Jahre. 

Die für die Berechnung der Rentenhöhe maßgebliche Zeitspanne wird von den letzten 15 Jahren Beitragszeit auf die letzten 25 Jahre Beitragszeit erhöht.

Elternteile, die Erziehungsurlaub beantragen, bekommen pro Kind neun Monate anerkannt, bis zu einem Maximum von zwei Jahren. Hochschulabsolventen, die ein Stipendium antreten, werden ebenfalls maximal zwei Jahre angerechnet; währenddessen haben die Unternehmen für die Beiträge aufzukommen.

Nur wenn Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken, werden sie ihre Angestellten mit 61 Jahren in den Vorruhestand schicken können. Ab 63 Jahren besteht die Möglichkeit, auf eigenen Wunsch den Vorruhestand zu beantragen. Voraussetzung ist, mindestens sechs Monate arbeitslos gewesen zu sein.

Das Modell des teilweisen Ruhestandes wird für Unternehmen unattraktiver, da diese nun die Sozialversicherungsbeiträge sowohl vom weichenden als auch vom ablösenden Arbeitnehmer einzahlen müssen.

Am 28. Januar segnete der Ministerrat die Reform ab. 2013 soll die Neuregelung in Kraft treten und bis 2027 stufenweise umgesetzt werden.

Kampf um Konsens

Am 24. Januar fand ein Abendessen im Moncloa-Palast, dem Regierungssitz in Madrid, statt, an dem Präsident José Luis Rodríguez Zapatero, Vizepräsident Alfredo Pérez Rubalcaba, Ignacio Fernández Toxo, Generalsekretär der Gewerkschaft CC.OO., und Cándido Méndez, Generalsekretär der Gewerkschaft UGT, teilnahmen. Es wurde zäh verhandelt, doch um 2.00 Uhr morgens verließen die höchsten Politiker und Syndikalisten des Landes den Regierungssitz ohne Ergebnis und ohne neuerliche Terminvereinbarung zur Fortführung der Gespräche. Hauptstreitpunkt war die Höhe der Beitragszeit für den Bezug der vollen Rente beim Ruhestand mit 65 Jahren. Während die Regierung diese auf 41 Jahre erhöhen wollte, beharrten die Gewerkschaften auf den derzeit geltenden 35 Jahren. 

Am Morgen des 26. Januar rief Zapatero die Generalsekretäre an und unterbreitete ihnen das Angebot, die Mindestbeitragszeit auf 39 Jahre festzusetzen. Außerdem schlug er vor, die an Fortbildung geknüpfte Unterstützung Arbeitsloser, die kein Anrecht auf weitere staatliche Hilfe haben, von 350 Euro auf 400 Euro zu erhöhen. Daraufhin verabredeten sich die drei zum Abendessen und zwar wieder im Moncloa-Palast. Um 00.40 Uhr wurde das Treffen beendet. Zapatero, Méndez und Toxo hatten sich geeinigt.

Bedeutung und Folgen

Bei dieser dritten Reform des spanischen Rentensystems seit Einführung der Demokratie handelt es sich um die härteste. Doch in 40 Jahren wird Spanien statt derzeit 9 Millionen dann 17 Millionen Rentner versorgen müssen. Schon im letzten Jahr übertrafen die Ausgaben der Sozialversicherung für Pensionen deren Einnahmen. Eine Reform war dringend nötig.

Die internationalen Märkte und Organisationen hatten schon vor über einem Jahr Spanien aufgefordert, das Rentensystem zu ändern. Angesichts der internationalen Forderungen und der realen Unmöglichkeit, das aktuelle Rentensystem aufgrund steigender Kosten in Zukunft aufrechtzuerhalten, erklärte Zapatero zum ersten Mal Anfang 2010 seine Absicht, das Rentenalter zu erhöhen. Doch die Gewerkschaften lehnten jegliche Einschnitte strikt ab.

Nun ist es doch zur Einigung gekommen und die Hauptakteure scheinen als Gewinner hervorzugehen.

Die Regierung erfüllt ihr Versprechen an Brüssel vom Mai 2010, das gesetzliche Rentenalter auf 67 Jahre zu erhöhen, und stellt damit die europäischen Partner zufrieden.

Präsident Zapatero selbst zeigte seit Langem wieder einmal politische Initiative. Dass maßgeblich ihm der geschlossene Sozialpakt mit den Gewerkschaften zu verdanken ist, verschafft ihm neue politische Stärke, Macht und Spielraum.

Der regierenden Partido Socialista Obrero Español (PSOE) kommt zugute, dass nach vielen Zwistigkeiten mit den Gewerkschaften dank ihrem Parteichef endlich wieder ein Sozialpakt zustande gekommen ist und ein Generalstreik abgewendet werden konnte. Dies werden die sozialistischen Regionalpräsidenten und Bürgermeister sowie Kandidaten bei den in weniger als vier Monaten stattfindenden Regional- und Kommunalwahlen  auszunutzen wissen.

Die Gewerkschaften standen nach der Arbeitsreform und dem verunglückten Generalstreik unter öffentlichem Druck, da ihnen angesichts von Wirtschaftskrise und der Dringlichkeit zu tätigender Änderungen Starrhalsigkeit und fehlende Gesprächsbereitschaft vorgeworfen wurde. Nun haben sie Verhandlungsgeschick und Konsensbereitschaft bewiesen. Trotz der Kürzungen wahren sie ihr Gesicht, da sie in die Reform diverse Ausnahmen, insbesondere für Frauen und junge Menschen, eingebracht haben.

Treffen wird die Reform in Zukunft insbesondere die jungen Menschen, denn fehlende Arbeitsplätze und zeitlich begrenzte Verträge ermöglichen ihnen immer später erst den Zugang zum Arbeitsmarkt und eine kontinuierliche Einzahlung in die Sozialversicherung.

Mehr Geld in der Not

Im Laufe der Verhandlungen wurde ein weiterer wichtiger Punkt beschlossen: Wie bereits bekannt, wird das am 15. Februar auslaufende Programm des außerordentlichen Arbeitslosengeldes in Höhe von 426 Euro (PRODI) [letzte staatliche Unterstützung, wenn alle anderen Beihilfen ausgeschöpft worden sind] durch ein an die Fortbildung gekoppeltes neues Programm ersetzt, welches den Berechtigten statt 350 nun doch 400 Euro zugesteht. Jedoch sollen die Regionen für das Programm zuständig sein und dieses von deren Etat abhängig gemacht werden.

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