Singvogelfang: EU verliert die Geduld


Der Distelfink oder Stieglitz gehört zu den Singvögeln, die alljährlich in verschiedenen Regionen Spaniens mit Lockvögeln und Netzen gefangen werden. Foto: efe

Die Europäische Kommission will gegen Nichteinhaltung der Vogelschutzdirektive ein Verfahren gegen Spanien einleiten

Madrid – Das Fangen und Abrichten von Singvögeln ist in einigen Regionen Spaniens, und nicht nur dort, eine jahrhundertealte Tradition. Sie wurde schon im dritten Jahrhundert in der Cynegetica, einem Lehrgedicht über die Jagdkunst von Oppianus Apameemsis, beschrieben, und auch der berühmte spanische Maler Francisco de Goya hat in einem seiner Gemälde aus dem 18. Jahrhundert Utensilien dieser Jagdform, ein Fangnetz und einen Lockvogel im Käfig, abgebildet.

Den gefangenen Tieren werden bestimmte Gesangsarten antrainiert, und in zahlreichen Wettbewerben wird entschieden, wer die besten Sänger sein Eigen nennt. Eine ganze Lebensweise hängt daran, deshalb wollen die Vogelfänger von dieser Tradition nicht lassen.

Anhänger des Singvogelfangs: Die EU sollte die Traditionen jedes einzelnen Landes respektieren

Eine EU-Direktive verbietet jedoch das Fangen von Wildvögeln in großer Zahl, und da die Zucht in Gefangenschaft möglich ist, lässt die Vorschrift kaum Raum für Ausnahmen. Dennoch werden bisher jedes Jahr unzählige Ausnahmegenehmigungen „zum Zwecke des Beginns einer Zucht“ erteilt, weshalb die EU-Kommission nun die Geduld verloren hat und prüft, ein Verfahren gegen Spanien wegen der Nichteinhaltung der Vogelschutzrichtlinie 2009/147/CE zu eröffnen. Die überregionale Tageszeitung „El País“ zitiert in einem Artikel zum Thema einen Anhänger des Singvogelfanges folgendermaßen: „Es ist schwer, von Brüssel aus zu verstehen, was es uns bedeutet. Sie sollten die Traditionen eines jeden Landes berücksichtigen, denn sonst werden wir am Ende alle wie Deutschland sein.“

40.000 Anhänger in ganz Spanien

In Spanien gibt es 40.000 Anhänger des Fanges und der Ausbildung von Singvögeln, die auch in entsprechenden Jagdverbänden organisiert sind. Im Sommer und Herbst werden Distel- und Grünfinken, Rotkehlchen und Girlitze gefangen. Im Winter dann werden ihnen die erwünschten Zwitschergesänge beigebracht, heutzutage, indem man ihnen diese in der sensiblen Entwicklungsphase während der Mauser per CD vorspielt, früher, indem man ihre Käfige neben die von „Lehrmeister“-Vögeln stellte, denen sie nacheifern sollten. Mit den erfolgreich trainierten Sangeskünstlern werden zahlreiche Wettbewerbe besucht, und alles gipfelt dann im Frühjahr in einer Meisterschaft auf nationaler Ebene.

Bei den Meisterschaften kommt es auf die Reinheit, Intensität, Pausen und Klarheit einer Vielfalt von Gesängen an, die der jeweilige Vogel in seinem Repertoire hat.

Die Vogelschutzrichtlinie 2009/147/CE verbietet es, jegliche Vogelarten, die normalerweise wild innerhalb Europas leben, absichtlich zu töten oder zu fangen. Die Fangerlaubnisse, welche verschiedene autonome Regionen Spaniens dennoch erteilen, basieren auf einer in Artikel 9 der Richtlinie vorgesehenen Ausnahme „zum Zwecke der Forschung und Lehre, der Aufstockung der Bestände, der Wiederansiedlung und der Aufzucht im Zusammenhang mit diesen Maßnahmen“ in kleinen Mengen.

Andalusien ist mit 71.896 Fängen die Region, welche die meisten Genehmigungen erteilt. Katalonien, wo diese Tradition ebenfalls sehr stark verankert ist, hat in diesem Jahr keine einzige Erlaubnis erteilt. Am 1. Oktober gingen deshalb Tausende Anhänger der Singvogeljagd auf die Straße, um gegen diese Entscheidung der Regionalregierung zu protestieren.

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