Sonntagsgedanken


Gedanken für mich ­– Augenblicke für Gott

Der Schutz des Sonntags, so hat es die Katholische Soziallehre schon immer gelehrt, ist nicht nur wegen des Glaubens ein hohes Kulturgut, sondern er dient auch als Schutz für den Menschen.

Deshalb ist es gut und wichtig, wenn die Kirche sich immer und immer wieder zu Wort meldet, wenn es um die Aushöhlung des Sonntagsschutzes geht. Es kann nicht sein, dass all das, was dem Menschen über viele Jahrhunderte gedient hat, nur noch ökonomischen Interessen geopfert wird. Deshalb kann es in der Frage des Sonntagsschutzes auch immer nur ein klares Ja seitens der Kirchen geben bzw. darf der Sonntag als Arbeitstag nicht beliebig zur Disposition stehen.

Nun ist mir auch klar, dass da mitunter Kompromisse geschlossen werden müssen. In Krankenhäusern lässt sich die Arbeit eben nicht tageweise niederlegen und auch die Freizeitindustrie lebt natürlich genauso, wie z.B. die Gastronomie, vom arbeitsfreien Sonntag. Dass auch noch Maschinen und Bänder in Fertigungshallen toujours durchlaufen müssen, das ist meines Erachtens schon ein sehr hohes Zugeständnis. Schließlich ist doch der Sonntag deshalb so wertvoll, weil er auch ein kollektiv arbeitsfreier Tag ist. Er ist eine allgemeine Zäsur im Endlos-Betrieb menschlicher Tätigkeiten. Ein Moment, der überhaupt erst Rhythmus und Struktur gibt. Ein Ort des Aufatmens, der Rekreation – und das alles nicht nur auf individueller Ebene, sondern gemeinschaftlich erfahrbar. Gerade deshalb aber kann der Sonntag nicht einfach nur durch zusätzliche Urlaubstage kompensiert werden, denn das wäre dann der Verlust der kollektiven Dimension dieses Tages.

Doch was ist der Sonntag darüber hinaus? Was ist er, wenn wir sozusagen durch seine Unterbrechungen hindurchschauen? Was taucht jenseits der Pause für uns auf? Die christliche Tradition hat den Charakter des arbeitsfreien Tages geerbt und ihm zugleich einen neuen Ort in der Woche und eine neue Bedeutung gegeben. Aus dem Sabbat ist der Sonntag geworden, aus dem Tag göttlicher Schöpfungsruhe der Tag der Auferstehung des Herrn, aus der Feier des Geschafften und Vollbrachten eine Feier des neu erwachten Lebens, des Sieges über die Mächte des Todes. Genau dieser christliche Tiefensinn darf aber nun meines Erachtens bei all den Diskussionen um den Wert des Sonntags nicht vergessen werden. Sicherlich – immer weniger Menschen sehen den Sonntag so und selbst immer weniger Christen teilen eine solche Sichtweise. Aber allen, die diese, meine Sichtweise nicht mehr teilen, denen möchte ich nun nicht mit bedeutungsschweren, aber häufig wenig alltagstauglichen dogmatischen Formulierungen kommen, sondern vielmehr mit einer Fabel. Fabel und Gleichnisse haben den Vorteil, dass sie manches viel zugespitzter fassen und vermitteln können. Und so erzählt eine Fabel aus Afrika auf sehr humorvolle Art und Weise, wie die Tiere einst beschlossen, einen Sonntag einzuführen:

Die Tiere hatten die Menschen beobachtet und wollten auch einen Sonntag haben. Bei der extra einberufenen Konferenz erklärte nun der Löwe: „Wenn ich eine Gazelle erwische und sie genüsslich verspeisen kann, dann ist für mich Sonntag.“ Damit konnte das Pferd wenig anfangen: „Ich brauche eher eine weite Landschaft, wo ich ordentlich Auslauf habe. Wenn ich das bekommen kann, dann ist das für mich wie ein Sonntag.“ – „Also ihr habt schon merkwürdige Bedürfnisse“, grunzte das Schwein. „Eine anständige Dreckmulde muss her und ein Sack voll Eicheln. Dann ist für mich Sonntag.“

Die Wortmeldungen wurden immer bunter. Jedes Tier hatte andere Ideen. So bettelte das Faultier gähnend um einen dicken und stabilen Ast. Der Adler dagegen verlangte eine starke Windböe und der Pfau stolzierte einmal im Kreis herum, stellte sein Rad auf und meinte höflich, aber doch sehr bestimmt: „Mindestens ein Satz neuer Schwanzfedern muss drin sein, das sag ich euch, sonst kann es überhaupt nicht Sonntag werden – undenkbar – unvorstellbar.“ 

Einige Bewohner aus einem nahegelegenen Dorf hörten die Tiere, wie sie sich da so austauschten und miteinander verhandelten und sie fingen an, über all diese Ideen und Gedanken zu lachen. Doch auf einmal unterbrach sie einer und sagte: „Habt ihr wirklich einen Grund, über die Tiere zu lachen? Bedenkt doch mal: Sie haben uns beobachtet, um herauszufinden, was denn ein Sonntag ist. Und keiner von uns hat ihnen klar gemacht oder sie auch nur auf die Spur dessen gebracht, dass es doch nur dann Sonntag ist, wenn man mit Gott wie mit einem Freund spricht, und wenn man deshalb an diesem Tag vieles von dem nicht tut, was man sonst tut. Oder dass man vor lauter Freude an Gott eben an diesem Tag Dinge tut, die man sonst nicht so tut.“

Ihr

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

Diesen und frühere Artikel können Sie nachlesen unter: www.katholische-gemeinde-teneriffa.de oder bei www.wochenblatt.es

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