Stolz ein Deutscher zu sein?


Es sind einige Jahre her (1975). Ich war geschäftlich in London und hatte an dem Tag frei. Da bin ich zum Hyde Park gewandert und kam zum Speakers’ Corner am westlichen Ende der Oxford Street. Dort stieg einer der Redner auf eine Kiste und begann zu reden, indem er sagte, er sei stolz ein Ägypter zu sein. Ich unterbrach ihn sofort und fragte ihn, warum er darauf stolz sei, was hätte er dafür geleistet? Weil er zögerte, mir eine Antwort zu geben, presste ich nach, indem ich fragt,e ob ich, da ich kein Ägypter bin, jemals einen Grund haben würde, stolz zu sein. Ein Zuhörer an meiner Seite meinte, das sei eine gute Frage. Er müsse seinen Hund fragen, ob er stolz sei, ein Hund zu sein. Der Redner stieg ab unter allgemeinem leisem Gelächter.

Es geschehen gerade Sachen, die einen zum Denken zwingen. Einerseits sollte man, als Mitglied der Menschlichen Gesellschaft, mindestens,  nachdem nichts dagegen unternommen wird, sich kollektiv schämen für das, was in Nahost geschieht: Krieg, Genozid, Vertreibung, Mord, Zerstörung. Dann wahrnehmen, dass Millionen Menschen fliehen, um mindestens die Haut zu retten und dann, endlich, sich einschalten, Hand anlegen an die Linderung des Missstandes. Stattdessen werden Grenzen zugeschnürt, Steine auf dem Fluchtweg gelegt, bürokratische  Hindernisse erfunden, Türen geschlossen, Flüchtlingsunterkünfte angezündet. Die Balkanländer wollen keine Fluchtlinge aufnehmen, und in Europa wird hin-und-hergeschoben und diskutiert über wer-wie-viele aufnehmen soll. Viele stranden in der Türkei, in Griechenland, in Italien. Erst als ein totes ertrunkenes Kind auf einem türkischen Strand angespült wird, entscheidet sich England, 5000 Flüchtlinge aufzunehmen. Wie pathetisch! Aber auch egal, die Flüchtlinge wollen sowieso nach Deutschland, das wird wohl seinen Grund haben! Wir haben sicher auch unsere Macken und schwarzen Schafe, aber wie man in Bayern sagt: Mia san mia! 800.000? Schauen wir ´mal, dann sehen wir schon.

Unvergessen werden die Bilder bleiben, die das Fernsehen aus München gezeigt hat. Es sind Dokumente einer freundlichen, gut organisierten, effektiven Fürsorge, welche die geplagten Flüchtlinge wieder fröhlich stimmt. Ja, so kennt man uns in der ganzen Welt.

Bei einem Urlaub in Mexiko, wählte ich an einem pazifischen Strand fern von Massentourismus, mich abzusetzen. Einen Morgen lang war ich alleine am Strand, bis ein kleiner Junge riskierte, mit mir zu reden. Dann kehrte er zurück zu seiner Gruppe, während er, wie ich hörte, sagte: Er ist kein Gringo, er ist ein Deutscher! Es war geschehen: Ich war nicht mehr allein, ich wurde in die Fischerkooperative aufgenommen, wohnte einer Hochzeit bei, durfte bei Tanzabenden mittanzen und wurde oft gebeten, Gastredner über das Leben in Deutschland zu sein.

Wenn ich so nachdenke, warum nicht, die Kanzlerin meint es auch, ich fang an, stolz… nee, das geht nicht, ich habe es noch nicht verdient, ich bin so weit weg und habe noch nicht Hand angelegt. Aber doch, ich lege Hand an mein Konto!

So! Jetzt bin ich stolz, ein Deutscher zu sein!

Antonio Larche

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