Tausend weibliche Opfer häuslicher Gewalt


Im Gedenken an ermordete Frauen wurden im März Kreuze am Strand in Fortí de Vinaròs, Castellón, aufgestellt. Foto: EFE

Das Gesetz von 2004 brachte viele Schutzmaßnahmen, reichte jedoch nicht aus, um das Leid zu beenden

Madrid – Seit jeher wurden Frauen von ihren Männern misshandelt oder gar getötet, ein Problem, das in Spanien totgeschwiegen wurde, bis 1997 Ana Orantes im Fernsehen von ihrem Leidensweg erzählte. Ihr Mann hatte ihr 40 Jahre lang nur Schläge und Leid bereitet. Zwei Wochen nach dem TV-Auftritt war sie tot – lebendig verbrannt von ihrem Ex-Mann. Diese Tat rüttelte die Gesellschaft auf und Gewalt gegen Frauen wurde als gesellschaftliches Problem wahrgenommen.

Miguel Lorente, Gerichtsmediziner und Regierungsbeauftragter für Geschlechtsspezifische Gewalt von 2008 bis 2011, erzählte jüngst, während seiner Zeit als Arzt habe er viele Frauen gesehen, die glaubten, das passiere nur ihnen, ihre Männer seien „gute Männer“. Einmal habe ein Opfer geäußert, ihr Mann würde sie „ganz normal“ schlagen. Angesichts der hohen Anzahl der Opfer und ihrer selbstverständlichen Akzeptanz des ihnen angetanen Leids sei er regelrecht schockiert gewesen.

Seit 2003 wird eine offizielle Liste der Frauen geführt, die von ihren Partnern oder Ex-Partnern ermordet wurden. Am 14. Juni wurde mit Ana Lucia de Silva die erschreckende Zahl von Tausend Todesopfern erreicht.

Ein Meilenstein war der Beschluss des Gesetzes gegen die Geschlechtsspezifische Gewalt im Jahr 2004. Es stellte zum ersten Mal durchgreifende Maßnahmen, wie die Spezialisierung der Justiz, die Einrichtung eines Ausschusses zur Erfassung und Analyse oder die Schaffung von Schutzmaßnahmen auf, die jedoch nicht ausreichend waren. Experten sind der Meinung, das Gesetz sei nicht vollständig umgesetzt bzw. angewendet worden. In dem Staatspakt gegen Geschlechtsspezifische Gewalt  2017 seien viele dieser Maßnahmen zwar wieder aufgenommen worden, es müsse jedoch weiter an der Prävention, dem Schutz und den Ursachen für die Gewaltausübung an Frauen gearbeitet werden.

Die meisten ermordeten Frauen waren zwischen 31 und 40 Jahren alt. Drei von vier Opfern erstatteten niemals Anzeige, und diejenigen, die es taten, benötigten im Schnitt neun Jahre für diesen Schritt. 25% der Frauen, die Anzeige erstatteten, wurden dennoch ermordet.

Die Schwierigkeiten beim Schutz der Frauen, ihr Schweigen zu verstehen und den Teufelskreis zu durchbrechen – das sind die großen Herausforderungen, denen sich die Politik im Bereich Häusliche Gewalt stellen muss.

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