Vereinte Nationen fordern die Aufarbeitung des Franquismus


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UN-Sonderberichterstatter kritisiert das Amnestiegesetz von 1977

Der kolumbianische Menschenrechtler Pablo de Greiff, UN-Sonderberichterstatter zur Förderung der Wahrheit, Gerechtigkeit, Rehabilitierung und Garantie der Nichtwiederholung, hat Spanien zehn Tage lang besucht, um mit Betroffenen und Institutionen über die Verbrechen, die im Bürgerkrieg und in der Zeit der Franco-Diktatur begangen wurden, zu sprechen.

Madrid – Kurz vor seiner Rückkehr nach New York hat er seine vorläufigen Schlussfolgerungen aus diesem Besuch präsentiert und einige Empfehlungen an den spanischen Staat ausgesprochen.

In erster Linie fordert de Greiff, das Amnestiegesetz von 1977 außer Kraft zu setzen, da es seitdem das Aus für praktisch alle Klagen, die die Franco-Zeit betreffen, bedeutet. Der UN-Sonderberichterstatter verwies im vorläufigen Fazit seiner Reise darauf, dass in anderen Ländern, die ein ähnliches Amnestiegesetz haben, die Gerichte diese in einer Art und Weise zu interpretieren wüssten, die nicht verhindere, dass die mutmaßlichen Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden. In Spanien dagegen berufe man sich ständig auf dieses Gesetz, um den Opfern den Zugang zur Justiz zu verwehren. In diesem Zusammenhang brachte de Greiff seine Besorgnis über die Rolle der Staatsanwaltschaft des Nationalen Gerichtshofes bei der Verweigerung der Auslieferung der beiden mutmaßlichen Folterer José Antonio González Pacheco und Jesús Muñecas Aguilar nach Argentinien zum Ausdruck, wohin sich eine Gruppe von spanischen Opferverbänden mit über 100 Klägern gewandt hatte, nachdem deren Klagen im eigenen Land immer wieder abgewiesen oder frühzeitig eingestellt worden waren.

Wie auch schon vor einigen Monaten zwei Gesandte der UNO-Arbeitsgruppe gegen „erzwungenes oder unfreiwilliges Verschwinden“ (das Wochenblatt berichtete) betonte auch der Sonderberichterstatter, Spanien müsse von Staats wegen die Franco-Opfer entschädigen und zwar schnellstens, da viele von ihnen schon fortgeschrittenen Alters seien.

Des Weiteren kritisierte er nachdrücklich die Praxis des spanischen Staates, das Auffinden und die Exhumierung der heimlich und anonym verscharrten Opfer den Angehörigen zu überlassen. Die Lokalisierung und die Kartographierung von 2.382 Gräbern, in denen 45.000 Leichname vermutet werden, sei nur dank der Initiative von Historikern und Gedenkverbänden möglich geworden. Dieses „Modell der Privatisierung der Exhumierungen“ fördere die Gleichgültigkeit der staatlichen Institutionen gegenüber den Hinterbliebenen. Diese war dem Experten für Menschenrechte bei seinem zehntägigen Aufenthalt in Gesprächen mit Politikern, Richtern, Volksanwälten und Betroffenen besonders aufgefallen. Eine so gewaltige Distanz zwischen den staatlichen Institutionen und den Opfern eines Regimes sei ihm in seiner zwanzigjährigen Tätigkeit im Dienst der Menschenrechte noch nicht untergekommen.

Pablo de Greiff hat auf seiner Reise durch Spanien auch das „Tal der Gefallenen“ (Valle de los Caídos) besucht, ein Monument, das Franco zur Verherrlichung seines Sieges und der Falange-Diktatur durch die Zwangsarbeit von 20.000 politischen Gefangenen errichten ließ und in dem sich auch sein Grab befindet. Dort gebe es keinerlei Information über die Art, wie es entstanden sei, konstatiert der UN-Botschafter, und schlägt vor, den Ort in ein Museum umzuwandeln, um den Opfern des Regimes gerecht zu werden.

Des Weiteren greift der Bericht die langjährige Forderung der Opfer nach der Aufhebung der Schnellgerichtsurteile auf, die immer wieder übergangen wurde, nicht zuletzt, um Entschädigungsforderungen der Betroffenen zu vermeiden. Er kritisiert ein Gesetzesvorhaben der Regierungspartei PP, das die Möglichkeit von Entschädigungsforderungen vor spanischen Gerichten noch mehr einschränken wird.

Der endgültige Bericht mit Empfehlungen an den spanischen Staat wird im September herauskommen. Befragt, ob er glaube, die spanische Regierung werde auf die UNO hören, erklärte Pablo de Greiff, er sei weder ein Zyniker noch ein Romantiker. Er habe sich gehütet, Hoffnungen zu wecken, die er nicht erfüllen könne. Jedoch habe er den Opfern versprochen, dass er, solange sie nicht aufgäben, auch weiterhin über ihr Anrecht auf Wahrheit, Recht und Entschädigung wachen werde. 

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