Vom Sinn und Unsinn der Sommerzeit


Die Ökobilanz wird immer schlechter

Seit dem letzten Märzwochenende herrscht überall in Europa wieder die Sommerzeit und Millionen Menschen quälen sich am Morgen aus ihren Betten. Bei den meisten ist es dunkel wenn sie aufstehen müssen und ihre innere Uhr ist noch nicht darauf eingestellt, eine Stunde früher den Tag zu beginnen.

Madrid – Die Idee ist bestechend einfach: Wenn die Uhren im Sommer eine Stunde vorgestellt werden, wird weniger Elektrizität gebraucht und Energie gespart.

Die Einführung der Sommerzeit ist übrigens keine Erfindung unserer Tage. Während des Ersten Weltkrieges beschlossen Deutschland und Österreich die Sommerzeit einzuführen und die gesparte Energie für Rüstungszwecke zu verwenden. So wurden in der Nacht vom 30. April zum 1. Mai 1916 in den beiden Staaten die Uhren um eine Stunde vorgestellt. Zahlreiche Länder wie Frankreich, Italien, Belgien, Dänemark und sogar die Türkei folgten dem Beispiel, und einige Wochen später wurde auch in England die Sommerzeit eingeführt.

Doch die Erwartung von großen Energieeinsparungen erfüllte sich nicht, denn der Stromverbrauch durch elektrisches Licht war damals noch recht bescheiden. Kaum war der erste Weltkrieg beendet, wurde die Sommerzeit abgeschafft und geriet in Vergessenheit. 1940, während des Zweiten Weltkrieges kam die deutsche Regierung wieder auf diese Sparmaßnahme zurück. Bis 1949 wurde wieder alljährlich während der Sommermonate die Uhr um eine Stunde vorgestellt. In der sowjetisch besetzten Zone verstieg man sich 1945 sogar dazu, die Uhr um zwei Stunden vorzurücken und führte sozusagen eine Hochsommerzeit ein.

Nachdem die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik konstituiert worden waren, wurden die Uhrzeiger für eine Weile nicht gedreht. Erst 1973, zu Beginn der ersten großen Ölkrise beschloss die französische Regierung ein Energiesparprogramm und führte wieder die Sommerzeit ein. Die deutsche Regierung wollte diesem Schritt nicht folgen, damit die Uhren in Westdeutschland nicht anders gingen als im Osten. Erst 1980 führten die beiden deutschen Staaten die Sommerzeit ein mit der Begründung, die europäische Uhrzeit zu harmonisieren.

Zu dieser Zeit ist Europa von einer Einheitszeit jedoch noch weit entfernt. Selbst in der Europäischen Gemeinschaft gehen die Uhren unterschiedlich. In den einzelnen Staaten wird die Uhr zu verschiedenen Terminen vor- und wieder zurückgestellt. 1996 kommt es dann zu einheitlichen Stichtagen. Seither werden die Uhren überall in Europa am letzten Sonntag im März um eine Stunde vorgestellt und am letzten Oktobersonntag tritt wieder die Normalzeit ein, dann wird die Uhr nachts um drei auf zwei Uhr zurückgestellt.

So geht die Sonne von März bis Oktober überall in Europa eine Stunde später unter. Aber sie geht auch eine Stunde später auf. Doch im März und April und auch im September und Oktober ist es morgens dunkel und vor allem recht kühl, so dass schon eine Stunde früher geheizt und beleuchtet werden muss. Umweltschützer sind sogar der Meinung, dass im Sommer mehr elektrischer Strom verbraucht wird als im Winter.

Dank der modernen Sparlampen wird in den Abendstunden immer weniger Energie eingespart. Die neuen Hobbys der Menschen, die Art und Weise wie sie ihre Freizeit verbringen, erhöht eher den Energieverbrauch, ganz zu schweigen von der Benutzung der Autos am längeren Feierabend.

Unter dem Strich sieht die Bilanz mehr als dürftig aus, wenn überhaupt noch von einem Spareffekt die Rede sein kann. Im nächsten Jahr steht das Thema „Sommerzeit“ erneut auf der Tagesordnung der EU, doch allgemein wird bezweifelt, dass mit einer Abschaffung zu rechnen ist, obwohl die Mehrheit der europäischen Bevölkerung die Umstellung der Uhren nicht mehr für sinnvoll hält.

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