Von Grenzproblemen zum politischen Sommertheater


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In Melilla ist Ruhe eingekehrt, in Spanien geht der Streit weiter

Zwischenfälle an den Grenzen zwischen Marokko und Spanien, insbesondere bei den Exklaven Melilla und Ceuta, wo ein reger Personenverkehr herrscht, kommen immer wieder vor.

Madrid/Melilla – In der Regel werden Probleme auf der unteren politischen Ebene oder auf diplomatischem Wege beigelegt. Dieses Mal sind jedoch Probleme an der Grenze bei Melilla zu einem politischen Spektakel ausgewachsen, das sich kurioserweise nicht zwischen den beiden Staaten abspielt, sondern zwischen der spanischen Regierung und der konservativen Oppositionspartei Partido Popular. Vor den Augen und Ohren der staunenden Bürger in Spaniens spielt sich ein echtes Sommertheater ab.

Es begann mit einem Protest von Seiten Marokkos über die Behandlung von marokkanischen Grenzgängern durch die spanische Polizei, die ein rassistisches Verhalten an den Tag lege. Viele Menschen aus Marokko passieren tagtäglich diese Grenzstellen um auf spanischem Gebiet Waren einzukaufen, mit denen sie in ihrem Land Handel treiben. Andererseits werden die Märkte Melillas mit Produkten der Landwirtschaft und Fischerei von der marokkanischen Seite beliefert. Den Beschwerden folgten große Transparente mit beleidigenden Darstellungen und bösen Sprüchen insbesondere über die weiblichen spanischen Grenzpolizisten, die in einem Gebiet zwischen den beiden Grenzen, dem so genannten Niemandsland aufgestellt wurden. Die Emotionen heizten sich auf und die marokkanischen Lastwagenfahrer drohten damit, die Grenze zu blockieren und Melilla nicht mehr zu beliefern.

König Juan Carlos telefonierte mit König Mohamed VI. von Marroko, um Meinungen auszutauschen, und prompt beschuldigte die Opposition Regierungschef Zapatero, den Monarchen als Vermittler zu missbrauchen. Politiker aus der Chefetage der Patido Popular bereiteten das Thema nach Belieben auf, um Zapatero der Nachgiebigkeit und Unentschlossenheit zu bezichtigen. Inzwischen hatte sich Innenminister Rubalcaba mit seinem marokkanischen Amtskollegen auf einen Besuch am 25. August geeinigt um das Reizthema zu besprechen. Die provozierenden Plakate waren abgebaut, die Lastwagen abgezogen und die Märkte wurden wieder normal versorgt.

Außenminister Moratinos hatte bereits bestätigt, dass es weder eine Krise noch einen Konflikt mit Marokko gebe. Die Zwischenfälle an der Grenze seien über die diplomatischen Kanäle der beiden Länder geregelt worden. Nach dem Telefongespräch des Königs mit dem marokkanischen Regenten sei ihm klar gewesen, dass die Angelegenheit beigelegt werde.

Damit sollte eigentlich Ruhe eingekehrt sei. Doch dachten führende PP-Politiker nicht daran, dieses Thema so schnell wieder loszulassen, mit dem man den Regierungschef in Misskredit bringen konnte. So verstieg sich Estéban González Pons, Sprecher der PP und als Agitator bekannt, beispielsweise zu der Forderung, das Stück Niemandsland zwischen den beiden Grenzen zurückzuverlangen und die marokkanische Regierung aufzufordern, endlich Ordnung in ihr Land zubringen. Sie müsse verhindern, dass marokkanische Aktivisten die spanischen Sicherheitskräfte beleidigen.

Der Regierungspräsident von Melilla erklärte zu diesem Thema, dass die marokkanische Polizei seit vielen Jahren diesen Streifen Land kontrolliert und es seit zwanzig oder dreißig Jahren immer mal wieder Probleme gibt. Auch die PP-Regierung unter der Führung von José María Aznar habe in ihrer achtjährigen Regierungszeit niemals in der Sache etwas unternommen.

So schmiedet die PP dieses heiße Eisen so lange weiter wie es eben möglich ist.

Das Sahnehäubchen allerdings hat der Expräsident der Partei, José Maria Aznar, dem Thema aufgesetzt, als er zusammen mit seinem Sohn Melilla einen Blitzbesuch abstattete. Er begrüßte die Grenzpolizisten und einige Bürger der Stadt und sicherte ihnen seine Hilfe zu. Dann eilte er zu einer rasch einberufenen Pressekonferenz, in der er eine Erklärung abgab, aber keinerlei Fragen zuließ. Er griff sowohl die spanische als auch die marokkanische Regierung an und erklärte, die Stadt lebe zwischen Vernachlässigung und Bedrängung. Wie es heißt, hatte er seine eigene Partei erst ganz kurzfristig über seine Besuchspläne informiert. Die Regierung war vollkommen ahnungslos und kritisierte das Verhalten Aznars. Während seiner achtjährigen Zeit als Regierungschef sei er nicht ein einziges Mal in Melilla gewesen, teilte ein Regierungssprecher mit und bezeichnete seinen Auftritt als Schmierentheater.

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