Was zählt vor Gott?


Gedanken für mich – Augenblicke für Gott

Viele von uns kennen die vielen humorvollen Geschichten oder auch Witze über den Eingang ins Himmelreich; wie Petrus die Verstorbenen an der Himmelstüre empfängt; wie Einzelne immer wieder Fragen beantworten müssen bzw. einem Test unterzogen werden oder sogar wählen können.

So erheiternd solche Gedanken und Überlegungen auch sein mögen – aber hinter all diesen Geschichten und Witzen ste­cken vielleicht tiefe Ahnungen, Vorstellungen oder auch unbestimmte Ängste, wie es denn nun tatsächlich einmal sein wird mit dem Gericht Gottes, der Ewigkeit, dem Himmel oder auch der vermeintlichen Hölle.

Am letzten Sonntag des Kirchenjahres, dem sogenannten Christkönigssonntag, geht es um genau diese Beschreibung des „Weltgerichtes“. Der König, also Christus selbst, sitzt zu Gericht und teilt die Einzelnen auf die Seite der Schafe oder der Böcke. Die Kriterien für diese Trennung zur „linken oder zur rechten Seite“ sind aus den Seligpreisungen Jesu genommen. Da geht es ja um die, die am Rand stehen und das Gericht fragt nun, wie wir – wie ich mit ihnen umgegangen bin: mit den Hungrigen, den Durs­tigen, den Fremden, den Obdachlosen, den Menschen ohne genügend Kleidung, den Kranken oder den Gefangenen? Und ich stelle fest: Nicht Dogmentreue oder moralische Gesetze, nicht Konfessionszugehörigkeit, ja nicht einmal Religionsgrenzen sind hier in erster Linie entscheidend für den König, der Gericht hält.

Immer wieder unterstrichen Theologen und Seelsorger in den letzten Jahrezehnten wie wichtig es sei, das Evangelium als wirklich „frohe und heilende Botschaft“ zu begreifen und zu erfahren. Andere Traditionen davor, die auch das Gericht, die Hölle, den Teufel usw. betonten wurden zurückgestellt. Gott sei Dank! Denn damit wurde der wesentliche Schatz der Botschaft Jesu auch neu gehoben und bewusst gemacht. Viele Ängste und Skrupel der Gläubigen, wurden so weggenommen. Und trotzdem: Die Texte des Gerichtes, die oft auch bei Begräbnissen verlesen werden, nehmen auch die Wirklichkeiten des Gerichtes, der Entscheidung Gottes und der wesentlichen Kriterien für meine Verantwortung als einzelner Mensch in den Blick.

Die Fragen: Wie ist das nun mit der Gerechtigkeit Gottes? Wie wird das sein mit der anderen Welt, mit meiner Verantwortung vor Gott?, die bleiben für uns Christen und wohl auch für viele andere Menschen auf dieser Welt bestehen. Genauso die Frage, wie denn die Antwort Gottes gegenüber den Massenmördern der Menschheitsgeschichte aussieht: Angefangen von den Königen und Fürsten vor Jahrtausenden bis hin zu den Despoten und Tyrannen des 20. und 21. Jahrhunderts, von Hitler und Stalin bis hin zu den Terroristen unserer Tage. Wie schaut es aus mit der Lebensbilanz der vielen kleinen Tyrannen in Familien und Sippen; der Mächtigen, die letztlich anderen das Leben zur Hölle auf Erden gemacht haben oder immer noch machen?

Ja, die Frage bleibt: Wie wird der König des Himmels sich zu diesen Menschen stellen? Niemand weiß das. Oder gibt es eine Antwort über eine andere Frage, die da heißt: Was zählt denn vor Gott? Die Antwort Jesu darauf lautet: Was zählt ist einzig und allein die Liebe; das offene Auge für den anderen und damit letztlich auch für Gott. Die Seligpreisungen können uns dabei eine Hilfe sein: „Wo war ich? Wie habe ich mich verhalten? Habe ich Gott in meinen Mitmenschen entdeckt?“

Ein wichtiges Mosaik zum Verständnis des Weltgerichts birgt für mich deshalb der Satz Jesu: „Ich bin gekommen, die zu retten, die verloren sind; ich bin gekommen, die zu erlösen, die gefangen sind“: In sich selbst, in den Strukturen, in Fixierungen, in Ungerechtem. Auch das gehört eben zur befreienden Botschaft Gottes durch Jesus Christus, dass es nichts in dieser Welt gibt, das nicht auch abgewaschen werden könnte; es gibt nichts, das nicht auch Vergebung finden kann. Wer dieser Zusage Jesu traut, wer sich darauf einlässt, wird vielleicht damit auch ein Anderer in seinem Leben. Wir sind nicht in ein denkbares Forderungskorsett der Seligpreisungen gezwungen; diese bleiben uns aber als Christen eine Richtschnur und eine Zusage. Vielleicht gehören wir aber auch selbst – jeder auf seine Weise und zu verschiedenen Zeiten – zu den Kranken, den Gefangenen, den Hungernden und den Armen?

Was letztlich zählt, und womit die Welt immer wieder verändert werden kann, im Kleinen wie im Großen, ist die Liebe. Und dieses Wort und das Erleben der Liebe ermutigt uns auch in unserer Verantwortung, in unserer Zivilcourage, unserer Offenheit und Barmherzigkeit. Versuchen wir unter dieser Zusage unser Leben zu gestalten – trotz aller Grenzen, Krisen und auch bitterer Herausforderungen. Dann werden wir die Liebe des Weltrichters erfahren, davon bin ich überzeugt.

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

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