Wenn Artenerhaltung und Zivilisation sich begegnen

Der Bär als Sehenswürdigkeit: Die Möglichkeit, den Tieren so nahe zu kommen, zieht Besucher aus aller Welt an. Foto: efe

Der Bär als Sehenswürdigkeit: Die Möglichkeit, den Tieren so nahe zu kommen, zieht Besucher aus aller Welt an. Foto: efe

Das schwierige Miteinander von Menschen und Bär in Asturien

Oviedo – Mit Ferngläsern, Stativ und Kamera bepackt schleicht eine Gruppe von dreißig Personen in den frühen Morgenstunden durch das taunasse Gras von Gúa, einer kleinen in 880 Meter Höhe liegenden Gemeinde in Asturien.

In dem 290 Quadratkilometer großen Naturschutzgebiet lebt rund ein Drittel der 324 Braunbären, die in der kantabrischen Gebirgskette zu Hause sind.

Die Beobachter haben Glück. Ein Braunbär mit hellem Haarkleid frisst genüsslich Haselnüsse, während eine Bärenmutter und ihre zwei unzertrennlichen Jungen auf der Lichtung spielen. Zwei Wölfe gesellen sich zu der Bärenfamilie. Als sie den Jungtieren zu nahekommen, werden sie von der Bärin verscheucht.

Solch eine Szene wäre vor dreißig Jahren noch unvorstellbar gewesen. Anfang der Neunzigerjahre waren nur noch sechzig der „Sohlengänger“ registriert. Seitdem ist die Zahl der Weibchen mit ihren Jungtieren in jedem Jahr um 10% gestiegen.

In den schwierigen Zeiten waren die Wälder der Gemeinde Somiedo die letzte Bastion der Braunbären. Heute bedeutet die Bärenkolonie einen Lockruf für Naturfreunde und Urlauber. Selbst in Pandemiezeiten wurde das Besucherzentrum im letzten Jahr von 40.000 Menschen frequentiert.

Dorfbewohner in Sorge

Was ein Segen für die Artenerhaltung ist, bedeutet für die Bewohner der umliegenden Gemeinden ein ständiges Kopf- zerbrechen. Einerseits machen sich die Bären an die Obstbäume und Bienenkörbe, andererseits müssen Besucherstrom und Fortbestand der Rasse unter einen Hut gebracht werden. „Fühlt eine Bärenmutter sich und ihre Jungen bedroht, verlässt sie das gewohnte Gebiet und läuft Gefahr, dass ein Männchen ihre Bärenjungen tötet“, erklärt der Biologe Jorge Jáuregui.
Juan Díaz ist seit 25 Jahren Mitglied der sogenannten Bären-Patrouille von Asturien. Er spricht von einem spektakulären Wachstum der Spezies, die trotzdem weiterhin vom Aussterben bedroht bleibt. Und auch wenn Bären sehr menschenscheu sind, ist es in der letzten Zeit zu Zusammenstößen mit Spaziergängern gekommen.

Nicht selten wandern Jungbären aus den Wäldern in die Ortschaften, angezogen von Mülltonnen, Bienenstöcken und Obstbäumen, die in den Gärten stehen. Verscheucht werden sie mit Böllerschüssen oder leichten Korkgeschossen.

Von den zehn Aussichtspunkten des Naturparks von Somiedo können Besucher die Bärenfamilien beobachten, ohne selbst in Gefahr zu geraten, und auch die Tiere bleiben ungestört. Das ganze Gebiet wird für Besucher gesperrt, wenn eines der Tiere den gewohnten Lebensbereich überschreitet.

Der Ruf des Naturschutzgebietes und die mögliche Nähe zu den Tieren ziehen Besucher aus aller Welt an. Die Naturfreunde schätzen ganz besonders, dass die Tiere in ihrem Alltagsgebaren beobachtet werden können. In anderen Ländern wie Finnland oder Slowenien werden die Bären als Touristenattraktion mit Essensresten angelockt, erklärt Phillipe Wyckaert, Teilnehmer einer Reisegruppe. Die Gruppe beobachtet, wie die Bären zwischen den weidenden Kühen die Nahrung fürs Überwintern sammeln. Eine Idylle, an der die „bärengeplagten“ Bewohner der umliegenden Gemeinden keine Freude haben.

Cano López und seine Frau Olga leben in dem Vierseelen- ort Pineda. Ihr ganzes Leben lang haben sie umweltbewusst gelebt und auch ihre Kinder in diesem Sinne erzogen. Nun schützen sie ihre Obstbäume und Bienenstöcke mit elektrischen Zäunen, denn die Bären gefährden ihren Lebensraum.

Olga geht nach der Dämmerung nicht mehr vor die Tür, sie hat Angst vor den neuen „Nachbarn“. Bären sind schlau und unverschämt, sie schrecken vor nichts zurück, wenn es ums Schlecken geht, meint sie.

Für die Hotellerie der Zone ist die Bärensichtung zu einer lukrativen Einnahmequelle geworden. Aber die Bewohner der kleinen Bergdörfer Asturiens fühlen sich von den Verwaltungen verlassen. Sie fordern nicht nur Unterstützungen für Maßnahmen zum Schutz ihrer Ernten, die in vielen Fällen auch ihr Unterhalt sind. Sie möchten nicht in Vergessenheit geraten.

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