Werden wir alle Diabetiker?


Man könnte es fast meinen, wenn man sich die neusten Zahlen der WHO (Weltgesundheitsorganisation) ansieht. Die Zahlen sind erschreckend. Waren es weltweit 1975 etwa 30 Millionen stieg die Zahl 1995 bereits auf 135 Millionen an. 2005 waren es 135 Millionen und im Jahre 2025 werden es nach Schätzungen ca. 330 Millionen sein.

Der Mensch neigt dazu, falls nicht selbst betroffen, diese Krankheiten zu ignorieren und zu verdrängen. Oft tut man sie als 3te Weltkrankheit ab, die uns hier nicht betrifft. Doch das ist ein großer Irrtum. Gerade die Industrieländer Europas und darunter besonders Spanien hat weltweit die Spitze an diabetologischen Neuerkrankungen. Besonders sind die Kanaren betroffen. Auf den Kanaren ist die Anzahl der Diabetiker dreimal höher als auf dem spanischen Festland und die kanarische Nephrologiegesellschaft  z.B. spricht sogar von einer Epidemie. Sie überwacht die Nierentransplantationen die aufgrund von Stoffwechselerkrankungen nötig sind. Der Bedarf an Spendernieren bei Diabetikern ist rapide gestiegen.

Doch woran liegt diese ständig steigende Diabetikerzahl? Eine eindeutige Erklärung dafür gibt es nicht. Es gibt aber eine Vielzahl von Faktoren, die zu dieser Entwicklung besonders in den Industrieländern mit hoher Lebensqualität und Wohlstand beitragen. Sicherlich trägt das Bevölkerungswachstum und durch gute medizinische Versorgung bedingte hohe Lebensalter zur Erhöhung von Altersdiabetes bei. Ungesunde Ernährungs­g­e­wohnheiten und die Einführung von „Fast Food“ in unser tägliches Leben spielen dabei auch eine Rolle. Besonders wenn man dann auch noch aus Zeitmangel und Lustlosigkeit auf unbedingt be­nötigte körperliche Bewegung und Minimalsport verzichtet. Unser Leben in den Ballungsgebieten und Großstädten zwingt uns unter schädlichen Umweltfaktoren zu leben. Hinzu kommen eine Reihe von genetischer Faktoren. Der Typ-2 Diabetes tritt in bis zu 2/3 der Fälle familiär auf. Eine erbliche Veranlagung ist neben diesen exogenen Faktoren eine wesentliche Voraussetzung für das Entstehen von Diabetes. Durch die gestiegenen Lebens­erwartungen von Typ-1 Diabetikern steigt natürlich auch die Zahl der durch Vererbung  weitergegebenen Gene. Auch wurde die Sterblichkeit von diabetisch belasteten Neugeborenen auf Null reduziert – das bedeutet eine verminderte perinatale Mortalitätsrate für die diabetische Schwangerschaft. Eine erheblich bessere Diagnostik hilft Diabetes frühzeitig zu erkennen. Es ist um so erstaunlicher, das die Hälfte aller Menschen mit Diabetes Typ-2 nichts von ihrer Krankheit wissen und deshalb auch nicht rechtzeitig mit einer dringend benötigten Therapie begonnen werden kann. Sehr oft fängt die Diabetes unauffällig an und es können Monate, manchmal sogar Jahre vergehen ehe der Patient Krankheitssymptome feststellt. Je eher seine Stoffwechselerkrankung erkannt wird, desto güns­tiger der Verlauf und die Möglichkeit des Diabetologen dem Patienten langfristig eine gewisse Lebensqualität zu erhalten. Im Anfangsstadium wird Diabetes oft nur durch Zufall entdeckt. Meist sind Patienten sehr überrascht, wenn bei einer Blutanalyse – aus ganz anderen Gründen erforderlich- ihr Blutzuckerspiegel außerhalb der Norm liegt. Erst im späteren Stadium treten bestimmte Symptome auf. Das sind z.B. übermäßiger Durst und damit verbundener Harndrang, Müdigkeit, Schlaffheit und Schlafstörungen. Juckreiz der Haut sowie des Genitalbereichs. Auch plötzliches Abnehmen ist ein oft vorkommendes Merkmal.

Doch welcher Personenkreis ist besonders gefährdet und was sind erste Anzeichen?

Neben der Möglichkeit der Vererbung sind vor allem übergewichtige Personen und Patienten mit Lebererkrankungen sowie mit Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse und mit einigen anderen hormonalen Erkrankungen mit besonderem Risiko behaftet. Auch Stress kann ein nicht zu unterschätzender Auslösefaktor sein; sowie viele andere hormonale Erkrankungen. Frauen, die während ihrer Schwangerschaft Diabetes gehabt haben, gehören zu dem mit einem Risiko belasteten Personenkreis und sollten sich jährlich einer Kontrolle unterziehen. Doch wie sollte sich der verantwortungsvolle Patient verhalten, wenn er zu einer der o.g. Risikogruppen zählt! Zur Früherkennung sollte bei jeder Gesundheitsvorsorgeuntersuchung und der automatisch damit verbundenen Blutanalyse der Blutzuckergehalt ermittelt werden. Bei gefährdeten Personen ist dieses mindestens einmal pro Jahr erforderlich und im Zweifelsfall muss ein Blutzuckerbelastungstest durchgeführt werden. Im Falle einer positiven Diagnose wird Ihr Arzt Sie über die notwendige Therapie informieren und in Zusammenarbeit mit Ihnen einen auf Sie speziell zugeschnittenen Diätplan entwi­ckeln. Diesen wird er, falls nötig, um die dementsprechenden Medikamente erweitern und erst im absoluter Notlage auf Insulin zurückgreifen. Er wird Ihnen die Problematik Ihrer Erkrankung erläutern und Sie auf die akuten und evtl. chronischen Komplikationen hinweisen.

Da die Diabetes eine sehr umfangreiche und komplizierte Erkrankung ist, muss sie sehr ernst genommen werden um schwerwiegende Folgeerkrankungen zu vermeiden. Typische Folgen können die Amputation der Beine, Herzinfarkte, Augenkomplikationen mit möglicher Blindheit, Nierenerkrankungen mit späterem Nierenversagen sowie die Beschädigung der Nerven sein. Diabetes ist außerdem häufig mit anderen Stoffwechselerkrankungen wie z.B. Fettmetabolismus, Gicht und der Erkrankung anderer Organe verbunden.

Der Diabetespatient gehört immer in die Hände eines Diabetologen oder eines Internis­ten, um ihm eine optimale Pflege und die damit verbundene Erhaltung seiner Lebensqualität in hohem Maße zu erhalten. Diabetiker haben leider immer noch eine um fünf bis fünfzehn Jahre geringere Lebenserwartung als Nichtdiabetiker. Dies ist auf die oft vorkommenden Komplikationen zurückzuführen – sowie auf der z.Z. noch bestehenden Lücke zwischen theoretisch möglicher medizinischer Versorgung und der bestehenden und angewandten Praxis. Bei einer optimalen Versorgung des Patienten können dem Diabetiker – wie dem gesunden Menschen – seine Lebensaktivitäten erhalten und das Risiko der Akut- und Spätfolgen erfolgreich gemindert werden.

Bei den Bemühungen des Arztes um eine erfolgreiche Therapie – darauf möchte ich ausdrücklich nochmals hinweisen – ist die aktive Mitarbeit des Patienten von ganz entscheidender Bedeutung.

Dr. Anna Stange

Diabetologin / Internistin

Teneriffa Nord,

La Guancha – Plaza,

Tel. 922-829 829

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