Laut der Regierung hat die Sparmaßnahme ihren Zweck erfüllt
Nach dreieinhalb Monaten hat die spanische Regierung die Geschwindigkeitsbegrenzung von 110 km/h auf Autobahnen und Schnellstraßen aufgehoben, sodass seit dem 1. Juli die Höchstgeschwindigkeit wieder 120 km/h beträgt.
Kanarische Inseln –
Rückblick
Ende Februar hatte die Regierung ohne große Vorankündigung beschlossen, die Geschwindigkeitsbegrenzung von 120 auf 110 km/h herabzusetzen. Die Exekutive begründete die Maßnahme mit der aufgrund des Libyen-Konfliktes herrschenden Erdölknappheit und der damit einhergehenden Verteuerung der Kraftstoffe. Zugute kommen sollte die „erzwungene“ Verlangsamung den Bürgern, denn nach Aussage der Regierung würde bei Tempo 110 Benzin eingespart.
Kritische Stimmen monierten, es sei keine wirkliche Kraftstoffersparnis zu erwarten und eigentlich habe es der Staat nur auf die zusätzlichen Einkünfte durch vermehrte Verhängung von Bußgeldern abgesehen. Auch die Bürger lehnten die Maßnahme größtenteils ab.
Trotzdem wurden innerhalb kürzester Zeit spanienweit mehr als 6.100 Schilder überklebt, davon 300 auf Teneriffa und 36 auf Gran Canaria. Am 7. März trat die neue Beschränkung in Kraft.
Mindestens bis zum 30. Juni sollte das neue Tempolimit gelten, danach wollte die Regierung über eine eventuelle Verlängerung entscheiden.
Plötzlich „sinnlos“
Am 24. Juni beschloss das Kabinett von Präsident José Luis Rodríguez Zapatero bei seiner üblichen Freitagssitzung, das Tempolimit auf den spanischen Autobahnen und Schnellstraßen von 110 km/h wieder auf 120 km/h zu erhöhen.
Nach Meinung der Regierung habe die Maßnahme ihren Sinn verloren, da der Erdölpreis erheblich gesunken sei und die Tendenz weiterhin nach unten zeige. [Ende Februar lag der Preis für ein Barrel Brent bei 111 Dollar und der durchschnittliche Benzinpreis bei mehr als 1,3 Euro/Liter; nach Freigabe von Reserven der Internationalen Energieagentur (IEA) kostete am 24. Juni ein Barrel Brent 108 Dollar und ein Liter Benzin durchschnittlich 1,323 Euro.]
Vizepräsident und Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba erklärte, aufgrund der eingeschränkten Höchstgeschwindigkeit seien 450 Millionen Euro eingespart worden; nach Meinung Rubalcabas „gar nicht mal schlecht“.
Ofelia Manjón-Cabeza, Direktorin des Straßenamtes von Teneriffa, zeigte sich dagegen skeptisch und äußerte, die von der reduzierten Höchstgeschwindigkeit beabsichtigten Einsparungen hätten sich auf den Kanarischen Inseln kaum bemerkbar gemacht.
Kosten und Einbußen
Den Einsparungen gegenüber stehen die aufgrund der Maßnahme getätigten Ausgaben und verlorenen Einnahmen des Staates.
Nach Angaben des Vizepräsidenten beliefen sich die Kosten für die 110-km/h-Aufkleber, den Personaleinsatz und den Aufschlag für Nachtarbeit auf 230.000 Euro. Nun wurden die schwer ablösbaren Aufkleber entfernt oder wiederum durch 120-km/h-Aufkleber überdeckt, sodass erneut 230.000 Euro aufgewendet werden mussten.
Teneriffas Cabildo kosteten die beiden Änderungen der Höchstgeschwindigkeit insgesamt 60.000 Euro; 300 Schilder auf den ca. 200 Kilometern von Süd- und Nordautobahn (TF-1 und TF-5) mussten zweimal in anstrengender Nachtarbeit überklebt werden.
Auf Gran Canaria schlug die zweimalige Aktion mit 6.000 Euro zu Buche; hier waren 36 Schilder auf 40 Kilometern „betroffen“.
Die Einbußen an Kraftstoff- und Mehrwertsteuer kamen den spanischen Staat teuer zu stehen. Allein im März und April beliefen sich die Ausfälle auf 102 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Raser rasen wieder
Die im März insbesondere von der Oppositionspartei Partido Popular erhobene Kritik, die Regierung wolle sich an vermehrten Bußgeldern bereichern, konnte nicht bestätigt werden. Zwar sanken die von festen Radargeräten erfassten Geschwindigkeitsübertretungen, jedoch stieg die Anzahl der von mobilen Radaren aufgenommenen Verstöße.
Ramón Guerra, Direktor des Verkehrsamtes der Provinz Santa Cruz de Tenerife, erklärte gegenüber einer Tageszeitung, in den ersten Wochen seien die Geschwindigkeitsübertretungen um 50% gesunken, doch zum Ende hin habe sich die Zahl wieder auf das übliche Niveau eingependelt.
Allgemein weniger Verkehrstote
Vizepräsident Rubalcaba äußerte, die geringere Höchstgeschwindigkeit habe bei der Bevölkerung für ein stärkeres Bewusstsein über Kosten, Verschmutzung und Risiken des schnellen Fahrens gesorgt. Er versicherte: „Mein Eindruck ist, dass die Spanier nach dieser Debatte weniger rasen werden.“
Allerdings wehrte er das Argument der gesunkenen Unfallzahlen für ein Beibehalten von Tempo 110 ab, denn schließlich seien die Verkehrsopferzahlen während der letzten acht Jahre kontinuierlich gesunken.
Reaktionen
Die Automobilvereinigungen und -clubs begrüßten die Entscheidung der Regierung. Doch wiesen sie auf die geringe Effektivität der Maßnahme hin, denn ihrer Meinung nach sei die Kostenersparnis mehr auf den krisenbedingten Rückgang des Verkehrs zurückzuführen. Außerdem führten sie an, die Einführung von Vergünstigungen beim Kauf neuer Kraftfahrzeuge sei eine weitaus effektivere Maßnahme zur Kraftstoffeinsparung, schließlich würden neuere Autos 40% weniger verbrauchen als zehn Jahre alte Modelle.
Die Staatliche Vereinigung der Verkehrsopfer (DIA) dagegen sprach sich gegen die Wiedereinführung von „Tempo 120“ aus.
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