» Wo das Wasser zu Hause ist « ( Teil 2 )


FOTO: MICHAEL VON LEVETZOW

Während auf Teneriffa ursprünglich nur das Wasser der ehemals zahlreichen Bäche und Flüsschen abgeleitet und genutzt wurde, begann man Anfang des 20. Jahrhunderts mithilfe von Stollen, bereits im Berg das Wasser wesentlich effizienter und gewinnbringender zu gewinnen. Verschiedene, miteinander konkurrierende Aktiengesellschaften betrieben seitdem die Erschließung und Vermarktung der Wasservorkommen. In der Gemeinde La Guancha begegnet man seit Kurzem auf der „Ruta Paisajes del Agua“ der Erinnerung an diese Zeit und ihre Ereignisse. Wir setzen hier die Beschreibung aus unserer vorhergehenden Ausgabe fort. Den ersten Teil können Sie auf www.wochenblatt.es nachlesen.

Die einzelnen Gesellschaften gingen nicht gerade zimperlich miteinander um, wie die Geschichte der Galería Los Palomeros anschaulich zeigt. Auch an dieser führt unser Weg vorbei. Dieser ehemals wichtigste Stollen im Gemeindegebiet ging bereits 1902 in Betrieb. Sein reichlich fließendes Wasser begünstigte die regionale Landwirtschaft dermaßen, dass zahlreiche neue Arbeitsplätze entstanden, die aus allen Teilen der Insel junge Leute anlockten – und sei es nur für die Aussicht auf eine bescheidene Unterkunft und Verpflegung. In den 1940er-Jahren wuchs die tägliche Fördermenge auf 60 Pipas bzw. 30.000 l, was die Begehrlichkeit der Konkurrenz weckte. Von anderen Ausgangspunkten wurden Stollen in den Berg getrieben und möglichst nah an Los Palomeros herangeführt, so nah, dass man schließlich die Arbeitsgeräusche von einem zum anderen Tunnel hören konnte. Die Gewinne der neuen Galerías verringerten die Wasserschüttung von Los Palomeros erheblich. Die Besitzer ergriffen Gegenmaßnahmen und verbanden erfolgreich andere Galerías mit ihrer einstigen „Goldgrube“. Heute kann man an der fotogenen Messstation mit ihren zahlreichen Wasserspeiern sehen, dass Los Palomeros wieder gut produziert, dass es also gelungen ist, einen Teil des zwischenzeitlich an die Konkurrenz verlorenen Wassers zurückzuerobern. Die Ereignisse gingen als „La Guerra de las Galerías“ (Krieg der Stollen) in die Inselgeschichte ein.

Während unterirdisch jeder versuchte, sich einen möglichst großen Anteil zu sichern – und sei es nur vorübergehend -, wurde oberirdisch peinlichst genau auf eine gerechte Verteilung des Wassers geachtet. Die zugeteilte Wassermenge richtete sich nach dem verbrieften persönlichen oder mit einem Grundbesitz verbundenen Besitzrecht. Solche Äcker wurden in der Regel nur zusammen mit dem zugehörigen Wasserrecht vererbt oder verkauft. Ackerbesitz und Wasser bildeten oftmals seit der Eroberung der Insel eine Einheit. Die gerechte Verteilung war Aufgabe der Acequeros (Kanalmeister), die auch die Messanlagen errichteten und überwachten. Diese bestanden aus mehreren hintereinanderliegenden Becken, in denen sich vom Wasser mitgeführte Schwebeteilchen absetzen konnten und die Fließgeschwindigkeit reduziert wurde. Anschließend trat das Wasser durch genormte, ursprünglich rechteckige Öffnungen wieder aus. Man nannte sie „boca“ oder „tonera“. Der Acequero musste sicherstellen, dass sich die exakt waagerechten Unterseiten aller Bocas einer Anlage auf ein und derselben Ebene befanden und ihre Breiten nicht heimlich verändert wurden. Es gab ganze Bocas von etwa 25 cm Breite, halbe und viertel Bocas. Durch Zuteilung einer entsprechenden Anzahl von Bocas an die Inhaber der Wasserrechte wurde die gerechte Verteilung mit einfachs­ten Mitteln möglich. Käufer oder Bezieher kleinerer Mengen bezogen über eine genau festgelegte Zeit das Wasser. Bei Los Palomeros sind die klassischen Bocas durch Röhren ersetzt. Hier erfolgt die Bemessung durch Öffnen der Kanalpforten mit exaktem Querschnitt.

Das Wasser der Quelle „El Chupadero“ war Privatbesitz, an dem sich die örtliche Bevölkerung bedienen durfte. Dazu gab es Auffangbecken und Tränken. Ein großer Tank unterhalb des Weges sammelte alles, was nicht unmittelbar entnommen wurde. Weitaus beeindruckender ist allerdings hier der „Til del Chupadero“, ein gewaltiger Stinklorbeerbaum (Ocotea foetens), der dem Platz großräumig Schatten bietet. Ein natürlicher Rastplatz seit Jahrhunderten. Der deutsche wie auch der wissenschaftliche Name weisen auf den unangenehmen Geruch des frisch geschlagenen Holzes hin. Etwas abgelagert und damit geruchsfrei war es früher ein begehrtes Bauholz. Der Stammumfang dieses Riesen sollte 5 m erreichen. Genau messen kann man ihn nicht; zahlreiche Nebenstämme und Luftwurzeln verhindern die Bestimmung.

Wenig später erreichen wir das Barrio El Farrobo, Wohnort ursprünglich eher ärmerer Landarbeiter. Bei schlechter Wirtschaftslage ließen dort die Männer ihre Familien weitgehend mittellos zurück und suchten vorübergehend Arbeit jenseits des Atlantiks. Bis sie mit Geld zurückkehrten, besserten Frauen und Kinder ihren Unterhalt mit dem Erlös auf, den sie mit selbst und in ganz traditioneller Weise hergestelltem Tongeschirr erzielten. Ihre Werkzeuge waren dabei – genau wie einst bei den Guanchen – Holzstückchen und die Schalen von Lapas (Napfschnecken), die sie geschickt als Spatel und Messer bei der Bearbeitung des selbst hergestellten Tons benutzten. Heute wird diese Tradition um ihrer selbst willen lebendig gehalten. Mit etwas Glück kann man einer oder mehreren Töpferinnen bei ihrer Arbeit zusehen und auch die Produkte kaufen.

Bei der Galería von El Pinalete, wichtigster Konkurrenzbau zu Los Palomeros, erreichen wir den Kanal, durch den das der älteren Galería abgegrabene Wasser entführt wurde, und zugleich das Ende der Wanderstrecke.

Michael von Levetzow
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