1.200 Stimmen sangen Verdis Gefangenen-Chor


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Ein beispielloser musikalischer Protest zur Verteidigung der Kultur

Tausende Bürger kamen am zweiten Märzsonntag in Madrid zusammen, um gegen eine Sparpolitik der Regierung zu protestieren, welche die Kultur Spaniens bedroht. „Die Würde und die Freiheit stehen auf dem Spiel“, rief der PopSänger Miguel Ríos von der Bühne, bevor eines der zahlreichen Konzerte begann, die an zentralen Plätzen der Hauptstadt wie Cibeles, Colón und Puerta de Alcalá stattfanden.

Madrid – Mehr als neunzig Kulturvereinigungen, Berufs- und Nachbarschaftsverbände hatten zu einem beispiellosen Kultur-Event von nie gekanntem Ausmaß aufgerufen, um auf die Krise des Kultursektors aufmerksam zu machen.

Die Veranstalter sehen sich nicht nur durch die rigorosen Kürzungen von Subventionen und die Erhöhung der Mehrwertsteuer für Eintrittsgelder auf 21 Prozent bedroht, die wie ein schwerer Stein auf Theatern und Kinos lasten. Sie fühlen sich auch von staatlichen, regionalen und kommunalen Autoritäten ins Aus getrieben, die mit lächerlich geringen Zuwendungen die öffentlichen Kulturveranstaltungen spanienweit nahezu zum Erliegen bringen.

Um den Umfang des Protestes zum Ausdruck zu bringen, hat die „Plattform zur Verteidigung der Kultur“ ein Event von riesigen Ausmaßen organisiert: Vierzig Schlagzeuger, darunter vier Kinder, eröffneten am Rande der Plaza Colón unter der Leitung von Pepe Sánchez das Event mit einer synchronisierten Percussion. Das war das Eröffnungssignal für eine ganze Serie von Veranstaltungen in acht verschiedenen Szenarien, vom Paseo de Recoletos bis zur Plaza de Cibeles. Überall hatten sich Tausende von Menschen eingefunden.

Die Montage der Podien und Bühnen hatten schon in den frühen Morgenstunden des Sonntags begonnen, und Hunderte von freiwilligen Helfern legten Hand an. Ungezählte Vertreter sämtlicher künstlerischer Richtungen füllten die acht Szenarien mit ihren Darbietungen und brachten gleichzeitig ihre Forderungen und Klagen vor. Nach Angaben der Veranstalter nahmen im Laufe des Tages mehr als 40.000 Zuschauer teil, um Kammerorchester, Jazz-Trompeter, indische Tänzer oder den Pop-Sänger Kiko Veneno live zu erleben und im Hintergrund auf Plakaten Sprüche wie „keine Kindheit ohne Musik“ zu lesen.

Die Herzen der ungezählten Zuhörer schlugen höher, als 1.200 Stimmen unter der Leitung des Dirigenten Miguel Sanz den Gefangenen-Chor aus der Verdi-Oper Nabucco unter dem Frühlingshimmel von Madrid erklingen ließen, und manch einer sich dabei eine Träne aus den Augen wischen musste.

Während Rapper ihre Sprüche ins Publikum schmetterten, wurden Grafitti in Form von roten Teppichen mit Forderungen wie „für eine Kultur ohne Raubtiere“ auf das Pflaster gesprüht.

Schauspieler, Buchhändler, Bibliothekare, Archäologen, Architekten und viele andere beschrieben zu Hunderten die Probleme ihrer Berufsgruppen.

Im Publikum war auch Antonio Garrigues Walker, eine bekannte liberale Persönlichkeit, der die Menschen aufforderte, über folgende Begebenheit nachzudenken: Während des Zweiten Weltkrieges sei Winston Churchill aufgefordert worden, die Ausgaben für die Kultur zu streichen. Darauf habe der englische Politiker geantwortet: „Und wofür kämpfen wir dann?“

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