125.000 Immobilienbesitzer in Spanien können aufatmen


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Parlament lockert strengen Küstenschutz

Aller Kritik der Opposition und der Umweltschützer zum Trotz hat die regierende Partido Popular das strenge Küstenschutzgesetz erheblich gelockert. Spanienweit gelten 125.000, unmittelbar an der Küste gelegene und jahrzehntelang u.a. aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes vom Abriss bedrohte Bauten nun als gerettet. Auch auf den Kanaren war die Freude groß, schließlich bangten die Bewohner von insgesamt 70 Küstenorten viele Jahre lang um ihr Zuhause und ihre Zukunft. Nicht ohne Grund, denn die Abrissbirne hatte beispielsweise das Fischerdörfchen Cho Vito noch im Dezember dem Erdboden gleich gemacht (das Wochenblatt berichtete).

Madrid/Kanarische Inseln – Mit der Gesetzesänderung wurde auch erneut die Veranstaltung großer Events musikalischer oder gastronomischer Art an den Stränden erlaubt. Übrigens sehr zur Freude einiger kanarischer Unternehmer, die neue Einkommensquellen wittern.

Doch die Lockerung des Küstenschutzes stößt auch auf Protest. Kritiker befürchten eine Privatisierung öffentlichen Bodens und eine erneute Verschandelung der Küste, wie sie bereits in großem Maße in den 60er und 70er Jahren betrieben wurde.  

Die Änderung des Küstenschutzgesetzes „Ley de Costas“ war schon beschlossene Sache (das Wochenblatt berichtete), doch bis zur endgültigen Absegnung war man sich über die tatsächlichen Ausmaße im Unklaren. Am 9. Mai wurde der neue Text im Parlament verabschiedet, nachdem die regierende Partido Popular bekannt gegeben hatte, dass 125.000 Bauten in unmittelbarer Küstennähe von der Neuregelung profitieren würden. Während der Sitzung erklomm ein Greenpeace-Aktivist das Dach des Abgeordnetenhauses, um gegen die Gesetzesänderung zu protestieren.

Das Küstenschutzgesetz sorgte, nachdem es 1988 in Kraft getreten war, stets für jede Menge Polemik. Damals war der Gesetzgeber tätig geworden, weil in den Zeiten des Tourismusbooms die spanischen Küsten praktisch zubetoniert worden waren. Aus Gründen des Landschafts- und Naturschutzes sowie um den öffentlichen Zugang zum Meer zu gewährleisten, hatte der Gesetzgeber damals einen unmittelbar am Meer gelegenen 20 m breiten Küstenstreifen unter strengsten Schutz gestellt. Hier errichtete Häuser sollten enteignet und abgerissen werden. In einem weiteren, 100 m breiten Küstenstreifen wurde Hauseigentümern eine 30-jährige Sondernutzungserlaubnis zugestanden, allerdings wurden jegliche Umbauarbeiten und etwaige Neubauten untersagt, und nach Ablauf der Frist drohte die Abrissbirne. Den rückwirkenden Eingriff in die Rechte der Eigentümer rechtfertigte man damit, dass es sich seit jeher um öffentlichen Boden gehandelt habe und insofern alle Baugenehmigungen gesetzwidrig erteilt worden seien. Die Küste wurde zu öffentlichem Boden erklärt, Privateigentum an Grundstücken ausgeschlossen. Damals befriedigte das Gesetz diejenigen, die sich für den Landschafts- und Naturschutz der Küsten sowie deren Erhalt einsetzen, aber entsetzte tausende Immobilieneigentümer, darunter auch viele Ausländer. 

Nach der Gesetzesänderung können nun in dem weiteren Küstenstreifen Baumaßnahmen durchgeführt werden, wenn das Haus eine Zufahrt sowie Wasser-, Abwasser- und Stromanschluss hat oder es sich in einer Zone befindet, in der mindestens ein Drittel der Fläche durch Bebauung konsolidiert ist (das Wochenblatt berichtete). Auch können die Eigentümer nun wieder frei darüber verfügen, also vermieten, verkaufen und vererben. Bei der abschließenden Debatte im Parlament legte die Partido Popular offen, dass spanienweit 125.000 Häuser von der Neuregelung betroffen, also gerettet, seien.

Des Weiteren wurden 12 unmittelbar am Meer gelegene Siedlungen ausnahmsweise vom Abriss bewahrt.

Sämtliche Oppostionsparteien sprachen sich gegen die Gesetzesänderung aus mit der Begründung, diese würde für Rechtsunsicherheit sorgen, die Küste privatisieren und gegen EU-Recht verstoßen. Doch die PP hielt dagegen, dass Neubauten weiterhin untersagt seien und wies darauf hin, dass auch industrielle Betriebe und somit Arbeitsplätze gerettet würden. Dank ihrer parlamentarischen Mehrheit brachte die PP die Gesetzesänderung über alle Gegenargumente hinweg problemlos durch.

Währenddessen startete die Umweltorganisation Green­­peace eine Protestaktion über den Köpfen der Parlamentarier. Ein Aktivist stieg über das wegen Bauarbeiten am Abgeordnetenhaus installierte Gerüst auf das Kongressdach und hielt ein Plakat mit der Aufschrift hoch „Die PP verkauft unsere Küste“. Polizisten verhinderten, dass weitere Aktivisten das Dach erklimmen konnten, und beförderten den Mann auf dem Dach schnellstmöglich nach unten.

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