Selbstversuch Spanien
Der beliebte Reisejournalist Andreas Drouve berichtet aus seiner Wahlheimat. Spanische Momentaufnahmen, satirisch verdichtete Essays, skurrile Geschichten und Reportagen. Er schreckt vor keinem Tabu zurück und ist niemandem verpflichtet, keinem Stierzuchtbetrieb, keiner Partei, keiner Fluglinie, nicht einmal dem guten Geschmack. Was als Online-Kolumne begann (www.selbstversuch-spanien. de), erscheint im April 2012 als reich bebilderter Farbband: „Selbstversuch Spanien. Was mir in 52 Wochen alles vor die Hörner geriet“. Seien Sie dabei, wenn Spaniens Wirklichkeit die Klischees übertrifft!
A: »Nach deiner Bewerbung und Vorstellung würde ich dich zum nächstmöglichen Zeitpunkt als Sekretärin einstellen.«
B: »Ja, gerne.«
Dann, am Ende:
A: »Bleibt nur noch die Frage, wie wir das mit der Bezahlung regeln sollen.«
B: »Meinst du: schwarz oder weiß?«
A: »Ja.«
B: »Das möchte ich erst mit meinem Mann bereden, der ist Experte, der arbeitet als Steuerprüfer im Finanzamt.«
Einen Tag später:
B: »Ich habe mir das Ganze überlegt. Wir würden die Option ›nicht weiß‹ ziehen.«
A: »Gut.«
B: »Weißt du, mein Mann hat mir ausdrücklich dazu geraten.«
Für den exakten Wortlaut dieser Einstellungsgesprächsfetzen halte ich nicht meine Schreibhand ins Feuer, aber ich schwöre, nächstmöglich an der Wahrheit geblieben zu sein. Den Verlauf hat Dialogpartner A an eine gute Bekannte weitergetragen, meine Frau, und sie um Rat gefragt, ob er die Bewerberin, anonym abgekürzt B, auf dieser Finanz- und Vertrauensbasis wirklich einstellen solle. Freund A hatte seinen privaten pharmazeutischen Schulungsbetrieb ausgebaut, war händeringend auf der Suche nach einer ver-lässlichen Kraft und von deren Antwort selbst überrascht.
Welche Erkenntnis ihm und uns das bringt? Zuallererst, dass die Partnerschaft mit einem beamteten Steuerprüfer in Spanien vielleicht nicht so langweilig und unangenehm ist, wie man sich das allgemein vorstellt, sondern durchaus praktische Aspekte birgt. Man hat immer einen Ratgeber an der Seite. Und im Zweifel setzt sich der Lebensabschnittsgefährte bei einer Betriebsprüfung selbst ein und sieht generös über Details hinweg.
Für normal denkende Spanier versteht sich von selbst, das Größtmögliche an Einkünften dezent zu verschweigen, um sie an der öffentlichen Hand vorbei in die eigene gleiten zu lassen. Ebenso wie ich glaube, dass Callgirls und -boys sich von ihrer Klientel im Anschluss an Termine keine Einkunftbescheinigungen quittieren lassen, um sie als Bezüge offenzulegen, bin ich davon überzeugt, dass es kaum einem Spanier in den Sinn kommt, die Einnahmen der Ferienwohnung, die man im Sommer über Privatannoncen vermietet, freiwillig anzugeben.
Nicht einmal die Einkünfte einer dauerhaft vermieteten Wohnung werden bei der Steuererklärung gerne enthüllt, wie ich einem Zeitungsbericht aus der Nordwestregion Galicien entnommen habe. Über ein Drittel aller dortigen Wohnungseigentümer, so stand als Schätzung zu lesen, gibt die monatlichen Einnahmen nicht an, was an das übliche Risiko aus Kontrolle, Nach- und Strafzahlung gekoppelt ist. Das weiß auch der Direktor unserer Hausbank, der meiner Frau und mir freiweg von der weingetränkten Leber erzählte, dass er sich irgendwie gezwungen fühlt, seine vermieteten Immobilien »seit ein paar Jahren« offiziell anzugeben. Davor, so schien es, nicht … (Sollte ein ge-wissenhafter Steuerprüfer – so diese Spezies existieren sollte – den vorgenannten Passus lesen, werde ich sagen, den Bankdirektor gebe es nicht, und alles sei frei erfunden).
Betrügereien, Vorteilsnahme, Geldwäsche, Korruption – in Spanien ist das vertrauter Alltag, in dem klassische Wege das Vorgehen ebnen. »Con el dinero en la mano, el monte se hace llano«, lautet ein schöner, treffender Reim. Will heißen: Mit Geld in der Hand lässt sich jeder Berg flach machen.
Einer Studie zufolge sehen es dreißig Prozent befragter Führungskräfte aus der Wirtschaft als positiv, Geschäfte mit Bestechung zu unterfüttern. Über das geläufige Einerlei aus Markenuhren, Fernsehern, Designertaschen, Schmuck und Arrangements von Segeltörns hinaus ist bei kleineren Gefällig-keiten unter Empfängern im Übrigen jamón serrano gefragt, Spaniens luftgetrockneter Schinken, vorzugsweise die teure Variante pata negra, eine Keule vom schwarzen Iberischen Schwein mit bestem Eichelaroma.
Apropos Schwein haben. Um sich von altvertrauten Pfaden zu lösen, verlangt Steuerschwindel gleichermaßen nach innovativen Ansätzen. Ein Städtebaubeauftragter aus Andalusien hatte einen Gedankenblitz, wie sich das gehortete Schwarzkapital seiner Familie waschen ließ. Er kaufte prämiierte Lotterielose, bevor deren glückliche Besitzer sie offiziell einlösten, und köderte sie mit einer Bonuszahlung. Eine strategische Meisterleistung, die er auf Fußballtoto und diverse Lottospiele wie jenem der Blindenlotterie Once verteilte. Nun hatten andere den Schwarzen Peter des Dunkelgelds, während er selbst zum Gewinner großer Lose avancierte und die Gelder legal und steuersparend einstrich. Innerhalb eines halben Jahres stand ihm das Schicksal in geballter Form gleich fünfmal bei, die überraschenden Gewinne gingen in die Hunderttausende.
Dass der Glückspilz die Strategie auf Druck von außen letztlich vor Gericht zugeben musste, zeigt allerdings, dass selbst in Spanien die Gunst von Fortuna nicht beliebig strapazierbar ist.
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