Anerkennung als Opfer von Polizeigewalt

Das Verfassungsgericht – Tribunal Constitucional – in Madrid Foto: EFE

Das Verfassungsgericht – Tribunal Constitucional – in Madrid Foto: EFE

Das Verfassungsgericht ermöglicht die Entschädigung der Betroffenen durch die baskische Regierung

Madrid – Seit das spanische Verfassungsgericht Ende September 2020 die Möglichkeit eröffnet hat, dass Opfer von polizeilicher Gewalt aus den Jahren 1978 bis 1999 von der baskischen Regionalregierung Wiedergutmachung fordern können, sind 300 Anträge von Personen eingegangen, die als Opfer von Polizeigewalt anerkannt und entschädigt werden wollen.
Josu Ibargutxi, Sprecher der baskischen „Plattform gegen die Verbrechen der Franco-Ära“, erklärt hierzu, Polizeigewalt sei Teil des Franquismus gewesen und habe sich auch während der Übergangszeit in die Demokratie weiter fortgesetzt. Der forensische Anthropologe Paco Etxeberria hat in einem Gutachten über Folter, das im Jahr 2017 veröffentlicht wurde, für die Zeit zwischen 1960 und 2014 4.113 Fälle von Polizeigewalt, die 3.415 Personen betreffen, dokumentiert. Die baskische Regierung hatte im Jahr 2012 ein Dekret zur Anerkennung und Entschädigung von Menschenrechtsverletzungen durch politisch motivierte Gewalt für Opfer aus den Jahren 1960 bis 1978 verabschiedet. 2016 ein Gesetz, das die Opfer von Polizeigewalt der Jahre 1978 bis 1999 betraf. Diese regionalen Regelungen wurden durch die Zentralregierung unter der Führung von Mariano Rajoy (PP) angefochten und später, als die PSOE-Regierung unter Pedro Sánchez dies zurückzog, wurde durch die Partei Ciudadanos nochmals Widerspruch eingelegt.
Das spanische Verfassungsgericht stützte die baskischen Gesetzte schließlich, nachdem deutlich wurde, dass es nicht darum ging, die Schuldigen anzuklagen, sondern den Opfern der Polizeigewalt Anerkennung und Entschädigung zukommen zu lassen.
Die Übergriffe durch staatliche Sicherheitskräfte ereigneten sich in vielen unterschiedlichen Zusammenhängen. Nach Angaben der Direktion für Opfer und Menschenrechte der baskischen Regierung wurden viele der Antragsteller angegriffen, während sie an Demonstrationen teilnahmen sowie auch bei Polizeikontrollen, bei denen der Einsatz von Waffen und Gewalt zu schweren Verletzungen oder gar zum Tod führten. In diesen Fällen waren die Opfer meist keine Mitglieder politischer Vereinigungen. In anderen Fällen wurden gezielt Aktivisten verhaftet und gefoltert. Diese gehörten den unterschiedlichsten Organisationen an, darunter die „Revolutionäre Arbeiterschaft“, die Gewerkschaften CCOO, UGT und USO, die avantgardistische Arbeiterjugend, die katholische Laienorganisation Acción Católica, die Kommunistische Patei PCE, die Baskisch-Nationalistische Partei PNV, die Baskisch-Sozialistische Partei PSE und auch die ETA.
Für 1.792 der 4.113 Übergriffe, die Paco Etxeberria für den Zeitraum von 54 Jahren zwischen 1960 und 2014 belegt hat, sind Polizisten der Guardia Civil verantwortlich, für 1.786 Beamte der Policía Nacional und für 336 Mitglieder der baskische Polizei Ertzaintza. Es gibt diesbezüglich zwanzig Verurteilungen des Obersten Gerichtshofes wegen Folter und Misshandlung mit 49 Verurteilten, 21 aus der Nationalpolizei und 28 aus der Guardia Civil. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Spanien siebenmal verurteilt, weil Anzeigen wegen Folter nicht ordnungsgemäß verfolgt wurden.

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