Aufgeweckt den Advent (er)leben


Gedanken für mich ­– Augenblicke für Gott

Aufwachen und aufstehen – mit diesem Appell werden wir jedes Jahr in die Adventszeit und in ein neues Kirchenjahr geschickt. Dass jede und jeder von uns diesen Appell von Zeit zu Zeit braucht, das möchte uns der indische Jesuit Anthony de Mello eindringlich und humorvoll zugleich erklären.

Er schreibt: »Vor einiger Zeit hörte ich im Radio… von einem Mann, der an die Zimmertür seines Sohnes klopft und ruft: „Jim, wach auf!“ – Jim ruft zurück: „Ich mag nicht aufstehen, Papa.“ Darauf der Vater noch lauter: „Steh auf, du musst in die Schule.“ – „Ich will aber nicht zur Schule gehen.“ – „Warum denn nicht?“, fragt der Vater. „Aus drei Gründen“, sagt Jim. „Erstens ist es so langweilig, zweitens ärgern mich die Kinder und drittens kann ich die Schule nicht ausstehen.“ Der Vater erwidert: „So, so, dann sag‘ ich dir jetzt mal drei Gründe, wieso du in die Schule musst: Erstens ist es deine Pflicht, zweitens bist du 45 Jahre alt, und drittens bist du der Klassenlehrer.“

Aufwachen und aufstehen – de Mello weiß, dass wir alle mit diesem Jim verwandt sind und so eben auch nicht vor dem Schlaf der Bequemlichkeit, der Oberflächlichkeit und der Interesselosigkeit gefeit sind; ja dass wir hell-wach sein müssen, wenn wir das Anklopfen Gottes hören möchten und dabei entdecken wollen, was Leben im Sinn Jesu für uns persönlich bedeutet. Mit Anthony de Mello möchte ich deshalb für ein waches und aufgewecktes Christsein werben und Ihnen drei Vorschläge machen.

Der erste lautet: Weck den Träumer in dir!

Finde dich nicht ab mit einer Welt, in der Habgier, Gewalt und Hass die Oberhand behalten! Mal dir vielmehr eine Zukunft aus, die du für dich selbst, aber auch für die Menschen um dich herum wünschst! So paradox es klingt: Wir brauchen unsere Träume zu einem bewussten Leben und wachen Christsein. Wenn der Prophet Jesaja nicht von einem jungen Trieb geträumt hätte, der völlig unerwartet aus einem abgehackten Baumstumpf wächst, dann wäre sein Volk wohl in Resignation und Lethargie versunken. Und wenn Jesus nicht seine Vision vom Reich Gottes in vielen Geschichten und Gleichnissen weitererzählt hätte, dann wären viele auch nicht zu einem neuen Leben aufgestanden. Die Kerzen der Adventszeit, sie regen uns wieder zum Träumen an. Sie stehen für unsere Sehnsucht nach Wärme und Geborgenheit, nach Harmonie und Frieden. Sie lassen die heile Welt aufscheinen, die wir uns wünschen. Und sie inspirieren uns, daran mitzubauen.

Mein zweiter Vorschlag: Weck den Detektiv in dir!

Beobachte genau, was in deiner Umgebung vor sich geht! Entwickle einen Spürsinn für Wege, die dich ganz persönlich weiterbringen! Für mich sind wache Christen so etwas wie Glaubens-Detektive. Sie sind neugierig: Sie suchen in der Bibel nach Worten, die Orientierung geben, die trösten und ermutigen. Sie recherchieren und kombinieren: Sie nehmen die Spur Jesu auf und bringen seine Ideen mit ihrem Leben in Verbindung. Sie versuchen herauszufinden, wo und wie Gott ihnen begegnen will und was er mit ihrem Leben vorhat. Die Kerzen der Adventszeit regen uns wieder zur Spurensuche an. Sie helfen, unser Leben auszuleuchten und darin „Fingerabdrücke“ Gottes zu entdecken. Sie bringen uns zur Ruhe, damit wir lauschen, in uns hineinhören und wahrnehmen können, was Gott aus unserem Leben machen will.

Und der dritte Vorschlag lautet: Weck den Spieler in dir!

Setze einen Akzent gegen all die Hektik und Geschäftigkeit in deiner Umgebung! Bring gegen alle Verkrampft-heit und Verbissenheit, mit der deine Umgebung sich oft auf Weihnachten vorbereitet, einfach deine Heiterkeit und Gelassenheit ins Spiel! Spiel‘ deine Fähigkeiten aus, um die Welt ein wenig menschlicher, leichter und „smarter“ zu machen! So widersprüchlich das klingt: Zu einem ernsthaften Christsein gehört spielerischer Charme. Wer davon überzeugt ist, dass er als erlöster und befreiter Mensch leben darf, der kann die Welt als Spiel Gottes sehen; der kann seine „Schlafmünzen“, seine schlummernden Talente wecken und mit den Gaben spielen, die ihm geschenkt sind; der kann sich für andere einsetzen, deren Freiheit und Würde auf dem Spiel steht. Die Kerzen der Adventszeit regen uns wieder zum Singen, Musizieren und Spielen an. Sie lassen uns ahnen, dass auch uns mit dem Kommen Jesu eine Last abgenommen ist, dass wir erleichtert, gelöst und dankbar leben dürfen. Und sie ermuntern uns, unser eigenes Licht leuchten zu lassen und andere mit unserer Freude anzustecken.

Aufwachen und aufstehen, Wach-Meister werden und nicht wie unser Jim aus der de Mello-Geschichte liegen bleiben, die Decke über den Kopf ziehen und die Lebensreise im Schlafwagen verbringen – das ist das Thema der Adventszeit.

Ihr

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und

Residentenseelsorger

Diesen und frühere Artikel können Sie nachlesen unter: www.katholische-gemeinde-teneriffa.de oder unter www.wochenblatt.es

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