Britische Anwälte zocken Hotels ab


Auf den ersten Blick wirken die Fahrzeuge wie Notarztwagen. Sie sollen auffallen und den Blick der Touristen auf sich ziehen. Sie fahren in den Urlaubsgebieten im Süden Teneriffas umher und parken teilweise dreist vor den Hoteleingängen, um Urlauber abzufangen. Foto: Ashotel

Kanzleien werben in Urlaubsgebieten Mandanten an und locken mit beachtlichen Entschädigungen

Teneriffa – Nach Mallorca trifft es nun auch Teneriffa. Bei den Hotels auf beiden spanischen Ferieninseln gehen in letzter Zeit vermehrt Schadensersatzklagen britischer Urlauber wegen angeblicher Lebensmittelvergiftungen ein. Die Hotelgäste geben an, dass sie durch verdorbenes Essen am Hotel-Buffet eine Erkrankung erlitten haben, die ärztliche Behandlung erforderte und verlangen eine Entschädigung vom Hotel.

Der Hotelverband der Provinz Teneriffa, Ashotel, hat in einer offiziellen Mitteilung die verdächtigen Praktiken britischer Anwaltskanzleien zur Anzeige gebracht, die diesen Sommer in den Urlaubsgebieten im Süden der Insel geradezu Jagd auf Mandanten machen.

Gelbe Lieferwagen, die wie ein Krankenwagen aussehen, mit auffälliger roter Beschriftung fahren durch Playa de las Américas und Los Cristianos und halten teilweise sogar ungeniert vor den Hotels an. Touristen werden direkt im Inneren der Lieferwagen über die notwendigen Unterlagen für eine Anzeige informiert und damit geködert, dass ein Anwaltshonorar nur bei Erfolg der Klage fällig wird. „Krank im Urlaub? Haben Sie sich mit Norovirus, Salmonellen, E.-coli-Bakterien infiziert oder an Gastroenteritis gelitten?“ – steht auf den Lieferwagen zu lesen.

Die meisten Reklamationen sind unbegründet

Wie der Hotelverband Ashotel beteuert, ist die Mehrheit der Schadenersatzklagen falsch und nicht begründet. Es werden kaum ärztliche Atteste eingereicht. Ashotel-Präsident Jorge Marichal versichert, dass die strengsten Kontrollen im Lebensmittelbereich in der Hotelbranche stattfinden. Doch die Masche zieht oftmals trotzdem, da die Klage in Großbritannien eingereicht wird und ein Prozess im Ausland für die spanischen Hoteliers sehr kostenintensiv wäre, weshalb die Schadenersatzzahlung die günstigere Alternative ist.

Die mittlerweile als „abogados piratas“ (etwa Räuberanwälte) bekannten Kanzleien geben ihren Mandanten Erfolgsgarantien und locken mit der Aussicht, dass durch die Schadenersatzzahlung der Urlaub unter dem Strich umsonst ist.

Touristen haben gegenüber der Hotelleitung bereits geäußert, dass sie sich von den Werbern der Kanzleien geradezu bedrängt fühlten.

1.800 Britische Pfund und mehr für eine Lebensmittelvergiftung

Auf Mallorca hat der Hotelverband FEHM diesen Betrug auch schon zur Anzeige gebracht. Hier handele es sich um eine Methode zur Bereicherung der Kanzleien.

Das spanische Nachrichtenportal für den Tourismus Hosteltur hat zusammen mit einem Artikel über die Schadensersatzklagen der Hotelgäste Bilder von Visitenkarten veröffentlicht, die eine der Kanzleien an Touristen auf den Balearen verteilte. Auf der Rückseite der Karte steht die Aufforderung, die Reklamation noch während des Urlaubs zu tätigen. „Warum warten? Es dauert nur 15 Minuten, und Sie könnten Ihre Entschädigung bereits bei der Rückkehr nach Hause haben.“ Dabei werden beachtliche Summen in Aussicht gestellt: Mindestens 1.800 Britische Pfund (rund 2.120 Euro) im Falle einer Lebensmittelvergiftung in einem All-inclusive-Hotel und mindestens 2.200 Pfund (2.580 Euro) bei Unfällen wie einem Ausrutschen am Pool „wegen geringer Sicherheit“.

Bei Ashotel hegt man angesichts der guten Kenntnis der Rechtslage dieser britischen Kanzleien den Verdacht, dass ehemalige Leiter von Reiseveranstaltern dahinterstecken, die mit den Einzelheiten der Verträge und Versicherungen der Branche vertraut sind.

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