Das Dilemma der Roten Flusskrebse


Der Rote Flusskrebs verdrängt einheimische Arten. Foto: EFE

Ein scheinbarer Sieg für den Umweltschutz gefährdet die Existenz Hunderter Familien und nützt der Umwelt zunächst wenig

Madrid – Isla Mayor ist eine kleine Ortschaft im Schwemmland des Guadalquivir in Andalusien, in unmittelbarer Nachbarschaft des Naturschutzreservats Doñana. Hier wird vor allem Reis angebaut. Doch in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts kam ein weiterer schnell wachsender Wirtschaftszeig hinzu, die Krebsfischerei.

Als im Jahr 1974 zum ersten Mal „Rote Amerikanische Flusskrebse“ zum Zwecke der Zucht dorthin geliefert wurden, hätte sich niemand träumen lassen, dass sich diese eingeschleppte Spezies im großen Stil in den Sumpfgebieten, Abwasserrohren und Teichen Spaniens ausbreiten und festsetzen würde. Heute, 42 Jahre später, leben in Isla Mayor drei Viertel der 6.000 Einwohner vom Krebsfang, -handel und der zugehörigen Verarbeitungsindustrie. Deshalb ist es leicht nachvollziehbar, dass das ganze Dorf tief getroffen ist von einem Urteil des Obersten Gerichtshofes, nach dem der Rote Flusskrebs, Procambarus clarkii, dem „Katalog der exotischen invasiven Tierarten“ von 2013 nachträglich hinzuzufügen ist. Dies bedeutet unter anderem, dass es keine wirtschaftliche Nutzung der Roten Amerikanischen Flusskrebse mehr geben darf und die Art wieder aus dem Ökosystem entfernt werden muss.

Das Urteil stürzt die kleine prosperierende Stadt in ein Desaster, weil für die Mehrzahl der Einwohner die Einkommensgrundlage auf einen Schlag wegfällt und die fünf ortsansässi­gen Verarbeitungsunternehmen, welche zusammen 20 Millionen Euro jährlich umsetzen, in der Konsequenz den Betrieb einstellen müssten.

Unglücklicherweise ist damit zunächst niemandem gedient, nicht einmal der Umwelt, denn die Abermillionen Flusskrebse, die mittlerweile in spanischen Gewässern leben, sind sehr robust, können sich an wechselnde, schwierige Lebensbedingungen anpassen und sind fähig sich mehrmals im Jahr fortzupflanzen. Deshalb ist es nach Einschätzung von Miguel Clavero von der Biologischen Forschungsstation des Parque Doñana (CSIC) nicht möglich, die Spezies wieder komplett auszurotten. Zu zahlreich und unübersichtlich sind die Tümpel, Kanäle und Rohrleitungen rund um den Guadalquivir und die anderen Flussläufe des Verbreitungsgebietes. Hören nun die Krebsfischer auf, Jahr für Jahr etliche Tonnen der schmackhaften Scha­lentiere aus den Sümpfen und Reisfeldern zu fischen, wird die Zahl der Krebse steigen. Die Reisbauern der Gegend warnen deshalb schon vor einer Zunahme der durch die Krustentiere verursachten Schäden in den Feldern und den daraus entstehenden Ernteausfällen.

Die sevillanische Europaabgeordnete Soledad Cabezón hat deshalb bei der EU-Kommission angefragt, ob eine Fanggenehmigung angesichts der Gegebenheiten nach Artikel 9 der europäischen Bestimmungen über exotische Arten möglich sei. Dies wurde bejaht, sofern sichergestellt sei, dass keine weiteren Exemplare gezüchtet und ausgesetzt würden. Die andalusische Regierung hat in diesem Sinne Anfang Juli eine Verordnung verabschiedet, welche den Fang als Teil der Kontrolle der Flusskrebspopulation erlaubt.

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