Das E-ELT geht doch nach Chile


La Palma hatte im Rennen um den Standort des Teleskops schließlich das Nachsehen

Die Enttäuschung ist groß, nachdem bekannt wurde, dass die Europäische Südsternwarte ESO auf einer Sitzung in Garching bei München den Cerro Armazones in den chilenischen Anden als Standort für das größte optische Teleskop der Welt, das E-ELT (European Extremely Large Telescope) gewählt hat. Bis zuletzt war außer Chile nur noch La Palma im Rennen, und die spanische Regierung hatte sich verpflichtet, mit 300 Millionen Euro fast ein Drittel der Baukosten zu übernehmen. Chile hatte seinerseits 100 Millionen für den Zuschlag geboten.

Trotzdem hatten sich die Delegierten der 14 Mitgliedsländer der ESO, die den sogenannten „Council” bilden, das Leitungsgremium der Europäischen Südsternwarte, für Chile entschieden.

Den Ausschlag hat wohl die „astronomische Qualität der Atmosphäre“ gegeben, die von der Anzahl der klaren Nächte pro Jahr, dem Wasserdampfgehalt der Atmosphäre und der Stabilität der Luftschichtung abhängt. Diese Daten, besonders die etwas höhere Zahl von klaren Nächten, haben den Ausschlag gegeben, obwohl die Bau- und die Betriebskosten in Chile höher ausfallen werden als auf den Kanaren. Das nehmen die Wissenschaftler aber gern in Kauf, weil sie die besseren Verhältnisse nutzen wollen.

Auch die in Chile größere Erdbebengefahr wird zusätzliche Kosten verursachen, weil spezielle bautechnische Modifikationen vorgenommen werden müssen, um die empfindliche Mechanik vor eventuellen Erdstößen ausreichend zu sichern.

Das neue Teleskop wird etwa eine Milliarde Euro kosten, einen Spiegeldurchmesser von 42 Metern haben und damit weltweit einzigartig sein. 2018 soll es dann seine Arbeit aufnehmen, insgesamt 700 Arbeitsplätze werden durch das E-ELT geschaffen. Die USA wollen auf Hawaii ein ähnliches Teleskop bauen, allerdings mit „nur“ 30 m Spiegeldurchmesser. Die Amerikaner haben damit der eigenen Insel den Vorzug vor dem Standort Chile gegeben, der auch diskutiert wurde.

Spanier reagieren verschnupft

Die spanische Wissenschaftsministerin Cristina Garmendia hat daraufhin Zweifel an der Teilnahme Spaniens an dem Projekt angemeldet. Sie führte aus, dass die Kosten seitens der 14 Teilnehmerstaaten noch keineswegs gedeckt seien und forderte „vollständige Garantien“ für die Kostendeckung. Beim Standort La Palma wäre wegen der zugesagten spanischen 300 Millionen die Finanzierung kein Problem gewesen. Sie kündigte an, die ESO-Entscheidung werde dahingehend überprüft, ob die vom Astrophysikalischen Institut der Kanaren IAC erstellten Daten über den Standort La Palma ausreichend gewürdigt worden seien, wenn das nicht der Fall ist, wolle man wissen warum.

In der Tat war der Entscheidungsprozess der ESO alles andere als transparent gewesen, und auch jetzt ist noch unklar, ob und inwieweit dieser Beschluss bindend ist, da die ESO selbst ankündigte, ihre „definitive Entscheidung“ über das Projekt als solches gegen Ende dieses Jahres bekanntzugeben.

Es darf also weiter gerätselt und gestritten werden, denn in Spanien nutzten die verschiedenen involvierten Regierungen und Politiker in Madrid, Las Palmas und La Palma die Unsicherheit über die Auswahl dazu, sich gegenseitig öffentlich zu beschuldigen, den Standort La Palma nicht genügend unterstützt zu haben.

Der Leiter der spanischen Delegation in der ESO, Xavier Barcons, meinte hingegen, die Entscheidung sei frei von jeglicher Politik und rein auf wissenschaftlicher Basis getroffen worden. Seiner Ansicht nach habe, entgegen vieler Pressemeldungen, La Palma von Anfang an keine echte Chance gehabt. „Die Frage war nicht, ob das Teleskop nach Chile geht oder nach La Palma, sondern ob es nach Chile geht oder nicht.“ Sollte das zutreffen, stellt sich die Frage, warum die ESO alle Welt darüber im Unklaren lässt und keine aussagekräftigen Pressemitteilungen herausgibt. Schließlich werden den Wissenschaftlern großzügig tausend Millionen (!) Euro für ihre Forschungen zur Verfügung gestellt – aus europäischen Steuergeldern. Die Forderung, eine solche Investition auch einer europäischen Region zukommen zu lassen, selbst wenn die Sichtbedingungen geringfügig schlechter sein mögen, hat also durchaus ihre Berechtigung.

Über Wochenblatt

Das Wochenblatt erscheint 14-tägig mit aktuellen Meldungen von den Kanaren und dem spanischen Festland. Das Wochenblatt gilt seit nunmehr 36 Jahren als unbestrittener Marktführer der deutschsprachigen Printmedien auf den Kanarischen Inseln.