» Das Erbe der Eroberer in guten Händen «


Breit thront sie über dem Valle de Tegueste, beherrscht das Landschaftsbild mit ihrem von Nordwesten nach Südosten verlaufenden Steilhang: Die Mesa de Tejina. Den auffälligen Tafelberg krönt eine massige Decke aus senkrecht aufragenden Basaltsäulen. Schon vom Tal aus sind sie gut zu sehen. Hat man diese Höhe erreicht, was von Tegueste aus leichter als von Bajamar zu verwirklichen ist, bekommt man zur Belohnung fantastische Panoramablicke weit über das Tal hinweg. Bei einigermaßen klarer Sicht reicht der Blick zum Pico del Teide und noch viel weiter bis zum Tenogebirge und dem Leuchtturm von Buenavista. Unterhalb der Basaltdecke nimmt die Steilheit des Berges talwärts ab – ein typischer Erosionshang. Dieser wird durch das feste, auf ihm liegende Gestein vor zu rascher Abtragung geschützt. Dennoch: Im Laufe mehrerer Millionen Jahre hat sich am Fuß des Berges eine dicke Schicht fruchtbarster Erde angesammelt. Diese Böden gehören zu den besten auf Tene­riffa. Das wussten schon die Eroberer und teilten dieses Land unter sich auf.

Lang und schmal erstreckt sich der Rücken des Tafelberges vor mir nach Nordwesten. Ich versuche mir vorzustellen, wie das hier wohl vor langer Zeit gewesen sein mag, als rechts und links von meinem Ort Wände emporragten. Als da, wo wir heute das weite Tal erblicken, Berge standen. Ich befinde mich wenige Meter über der fossilen Sohle eines Barrancos. Sie wurde von Lava überdeckt, dem heutigen Basalt, auf dem ich gehe. Die Wände der verschwundenen Schlucht hinderten die Lava daran, sich in alle Richtungen auszubreiten, und zwangen sie, nach Nordwesten zu fließen. Die neue Schicht war dennoch am Ende beständiger als die längst abgetragenen Wände. Da die Erosion nicht haltmachte, als seitlich von unserem Basaltstrom nichts mehr aufragte, entstand in der Folge das Tal von Tegueste. Berge wurden wegen der größeren Haltbarkeit des jüngeren Basaltgesteins zu Tälern und das ehemalige Relief der Landschaft „auf den Kopf gestellt“.

Geologische Zusammenhänge finde ich immer wieder spannend. Aber heute verbinde ich meinen Rundweg von Tegueste über den Camino el Sardán hinauf auf die Höhe und zurück über La Orilla, wo ein steiler felsiger Abstieg wartet, mit einem Besuch. Ich bin mit Borja verabredet. Zusammen mit seinem Vater, Gelasio Fernández del Castillo bewirtschaftet er am Fuß der Mesa de Tejina, dort wo die Erde beson­ders fruchtbar ist, eine Öko-Finca. Kein Schild weist auf das Anwesen hin. Am besten hält man nach dem großen grünen Wassertank aus Wellblech Ausschau, der unübersehbar rechts der Piste errichtet wurde, über die der Weg von La Orilla zurück nach Tegueste führt. Das Land ist schon mehr als 500 Jahre im Familienbesitz. Juan Melián de Betencourt entstammte zwei adeligen normannischen Familien, die bei der Eroberung Lanzarotes und Fuer­teventuras führende Rollen eingenommen hatten. Er selbst wirkte an der Eroberung Teneriffas unter Alonso Fernández de Lugo mit. Gering kann sein Einsatz nicht gewesen sein, sonst hätte er bestimmt nicht eins der besten Landstücke der Insel zum Lohn erhalten. Unter dem Namen „Finca de los Melians“ kannte man den Besitz über die Jahrhunderte. Die Familie nannte sie nach dem benachbarten Seitental „Finca El Pilón“. Pilón bedeutet Trog und weist auf die Form des Tals hin.

Borja zeigt mir nicht nur das Landgut, er erklärt dabei genau, was der Familie wichtig ist und offenbar schon lange war. „Du darfst nicht alles ernten und für Dich behalten,“ hatte ihm sein Großvater mitgegeben. „Du musst der Erde etwas zurückgeben.“ Während er mir dies erzählt, greift Borja zur Verdeutlichung etwas von der krümeligen Erde, breitet sie auf seiner Hand aus und teilt sie. „Nur die Hälfte nehmen wir. Das andere wird wieder in den Kreislauf eingespeist.“ Mit dem Kreislauf ist nicht nur das aufwendige Kompostierungsverfahren gemeint, durch das alle Pflanzenreste über verschiedene Stationen hinweg in guten Humus umgewandelt werden. Borja lässt mich mit der Hand fühlen, wie warm der junge Kompost wird, nachdem dieser sorgfältig in Planen eingehüllt wurde. Wenn er reif ist, kommt er in ein Silo. Unmengen von Regenwürmern setzen dort den Vorgang fort. Kreislauf bedeutet auch, dass die frei in einem großen Gehege laufenden Hühner und die beiden Esel mit selbst gezogenem Futter versorgt werden. Ihr Dung schließt den Kreis auf andere Weise.

Ökologie, die Lehre vom Haushalt der Natur, ist hier die Leitidee. Das ist deutlich mehr, als Bio, als der Verzicht auf Chemie. Hier wird überhaupt nichts verspritzt zum Pflanzenschutz, auch nichts aus Pflanzen Hergestelltes. Obwohl das Gelände sehr groß und noch gar nicht vollständig bewirtschaftet ist, gibt es hier nicht ein einziges größeres Feld. Das meiste wächst in sauber von Brettern eingefassten Beeten von 3m x 1,5 m. Sie sind in sich in drei gleich breite Streifen unterteilt. Auf den beiden äußeren wachsen Salatköpfe, Gemüse, Kohl, Zwiebeln und andere Nutzpflanzen. Nie sind es viele. Nie stehen sie eng. Auf dem mittleren Streifen wachsen Pflanzen, die niemand erntet, weil sie ungenießbar für Menschen sind. Sie besitzen aber Eigenschaften, die Schädlinge fern halten oder Nützlingen Nahrung und Wohnung bieten. Die Nützlinge fressen dann wieder Schädlinge. Jedes Beet gleicht einem Bauerngarten-Idyll und strotzt vor Gesundheit. Es gibt vereinzelte Obstbäume, aber auch Bäume, die keine essbaren Früchte liefern. Sie können anderen Pflanzen Schatten machen, damit diese nicht in der Sonne verbrennen. Andere Bäume bilden Hecken als Windschutz. Stolz zeigt mir Borja eine Faya, die normalerweise im Monteverde wächst. Ihre Mykorrhiza versorgt den Boden mit Stickstoff und macht hier das Düngen entbehrlich.

Das Wohnhaus ist neu, großzügig und modern. Borja bietet mir etwas zu trinken an. Etwas Wasser wäre mir recht. In der Küche steht – ganz nach alter Tradition – neben dem Kühlschrank eine Destilera. Ihr Wasser ist durch die ständige Verdunstung immer kühl und schmeckt angenehm. Wer so etwas hat, braucht kein Wasser vom Supermarkt.

Mit ruhiger und engagierter Selbstverständlichkeit präsentiert Borja das alles. Verbunden mit seiner Familie, verbunden mit ihrer Tradition, verbunden mit seinem Land. Das Erbe der Eroberer ist in guten Händen.

Michael von Levetzow
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