Das oft vergebliche Warten auf Pflegeleistungen


Verband der Sozialdienste klagt über schleppende Antragsbearbeitung

Madrid/Kanarische Inseln – Der Dachverband der Sozialdienste in Spanien (Asociación de Directores y Gerentes de Servicios Sociales) klagt, dass jeder dritte Pflegebedürftige, dessen Pflegebedürftigkeit anerkannt wurde, weiter auf der Warteliste steht. Die jüngsten Daten liefern erschreckende Zahlen. Allein im ersten Quartal 2016 warteten in Spanien über 400.000 Pflegebedürftige auf Leistungen bzw. Zahlungen.

Der Vorsitzende des Verbands, José Manuel Ramírez, gab außerdem zu bedenken, dass über die Hälfte der pflegebedürftigen Menschen (54%), die auf die Bewilligung der Hilfe warten, über achtzig Jahre alt sind und aufgrund ihres hohen Alters wohl kaum noch erleben werden, dass ihre Anträge bearbeitet oder gar anerkannt werden. Denn nach der Meinung von Experten würde es bei dem heutigen Bearbeitungstempo der Akten sage und schreibe sechzehn Jahre dauern, bis die Listen aller vorliegenden Anträge abgearbeitet sind.

Zu der schleppenden Antragsbearbeitung kommt die Streichung von Pflegekräften hinzu. Durch die Sparmaßnahmen wurden seit Jahresbeginn 1.243 Pflegeplätze in Heimen gestrichen. Ramírez schätzt, dass in den letzten Monaten etwa 2.500 Pflegekräfte entlassen wurden.

Besonders schlimm ist die Lage auf den Kanarischen Inseln, einer Region, die bisher nicht in der Lage war, die Wartelisten abzubauen.

2015 starben auf den Kanaren 1.492 Antragsteller, ohne je Pflegeleistungen erhalten zu haben

Auf den Kanarischen Inseln haben die lange Wartezeit und die fehlenden Gelder im vergangenen Jahr dazu geführt, dass 1.492 Menschen starben, ohne dass sie die ihnen zustehende Unterstützung je erhielten. Die kanarische Regierung sah sich auf die Frage des Abgeordneten Román Rodríguez der Partei Nueva Canarias (NC) dazu gezwungen, die Zahlen bekannt zu geben. Demnach starben im vergangenen Jahr 394 Pflegebedürftige, bevor ihnen die Pflegestufe zuerkannt wurde, 1.098 weitere Personen erhielten bis zu ihrem Tod keinen sogenannten „individuellen Pflegeplan“ (Plan Individual de Atención) und demzufolge auch keine Unterstützung.

Ressortleiterin bezeichnet die Warteliste als „dramatisch“

Vor einigen Wochen fand ein Führungswechsel im Amt für Pflege und Behindertenversorgung der kanarischen Regierung statt. Marta Arocha, die den Posten von ihrer Vorgängerin Alicia Álvarez übernahm, zeigte sich bestürzt über den Berg von Anträgen, die zu bearbeiten sind. Obschon dank des Einsatzes von Alicia Álvarez rund 1.500 Personen in das Pflegesystem aufgenommen werden konnten, warten noch über 26.000 Menschen auf die Bearbeitung ihrer Anträge. Über 16.000 von ihnen wurde bereits die Pflegebedürftigkeit bescheinigt, doch ihr Antrag hängt nun in der Warteschleife für ihren „Plan Individual de Atención“, der die Höhe bzw. Art der Pflegeleistungen festlegt.

In einem Radiointerview gab Marta Arocha zu, dass die Warteliste für Pflegeleistungen „absolut dramatisch“ ist.

Das unter Regierungspräsident José Luis Rodríguez Zapatero erlassene spanische Pflegegesetz vom 14. Dezember 2006 staffelt die Pflegebedürftigkeit in drei Pflegestufen. Doch es hapert bei der Umsetzung.

Marta Arocha hält es für wichtig, sich nicht nur auf die stationäre Unterbringung der Pflegebedürftigen zu konzentrieren, sondern angesichts der Flut von Anträgen auch nach Alternativen zu suchen.

Sozialhilfe – Es vergeht über ein Jahr von der Antragstellung bis zur Bewilligung

Die im Rahmen der vergangenen Krisenjahre verabschiedete Hilfe zur Bekämpfung der Armut bzw. der sozialen Ausgrenzung auf den Inseln (Prestación Canaria de Inserción, PCI) sieht für Betroffene je nach Kinderzahl monatliche Unterstützungen von 126 bis 658 Euro vor. Aber auch hier ist die Wartezeit extrem lang – 394 Tage vergehen im Schnitt vom Tag der Antragstellung bis zur Bewilligung der Unterstützung. Dies begründet sich unter anderem darauf, dass die Region regelmäßig zu wenig Geld für diesen Posten einplant.

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