Der lange Schatten der Tabakindustrie

Foto: EFE

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Eine Studie verurteilt deren Einflussnahme in der Kontrollpolitik, Spanien ist dabei besonders zugänglich

Madrid – Gemäß der Weltgesundheitsorganisation verursacht das Rauchen weltweit jährlich den Tod von acht Millionen Menschen. Trotzdem ist Tabak weiterhin eine „legale Droge“. Viele Regierungen unternehmen wahre Kunststücke, um Gesundheitspolitik und Kontrolle von Nikotinabhängigkeit unter einen Hut zu bringen.
Eine internationale Studie über das Eingreifen der Tabakindustrie in die Entscheidungen der Regierungen kommt zu dem Ergebnis, dass Intransparenz, Interessenskonflikte und Unterstützungen in Form von „Wohltätigkeitsaktionen“ durch die Tabakindustrie an der Tagesordnung sind. Spanien steht hierbei auf Platz 36 von 57 der Liste derjenigen, die diese „Mildtätigkeit“ tolerieren, gleichauf mit Malaysia, Kasachstan und Deutschland.
Die Experten vergleichen das Gebaren der Tabakindustrie mit dem einer Lobby, die ihre schlechte Presse mit einer Form von Gemeinnützigkeit übertünchen und gleichzeitig direkten Einfluss auf die Beschlüsse nehmen möchte, die das öffentliche Gesundheitswesen im Raucherbereich fasst. Die Tabakindustrie versteht es als ihr Recht, nicht nur angehört zu werden, sondern auch an Entschlüssen mitzuarbeiten, die für den Sektor von Interesse sind.
Das Rahmenabkommen der WHO zur Kontrolle des Tabakkonsums, das auch die Regierung Spaniens unterzeichnet hat, hebt klar hervor, dass die Staaten ihre Anti-Tabak-Politik vor den kommerziellen Interessen der gewaltigen Tabakin­dustrie schützen sollen. In der Praxis erweist sich dies als schwieriges Unterfangen.
Gemäß dem Jahresbericht über den Einfluss, den die Tabakindustrie weltweit auf die Regierungen ausübt, hat Philip Morris International auf mindestens zwölf Regierungen „aggressiven Druck“ ausgeübt, um das IQOS, ein Gerät, das Tabak nicht verbrennt, sondern erhitzt, aber nicht weniger schädlich als herkömmlicher Tabak ist, auf den Markt zu bringen. Auch die kolumbianische Regierung wurde stark bedrängt, als eine Erhöhung der Tabaksteuer zur Sprache kam. Der Bericht wird jährlich vom Globalen Zentrum für gesellschaftliche Verantwortlichkeit zur Kontrolle des Tabakkonsums mit dem Ziel erstellt, die Macht der Tabakindustrie weitgehend unter Kontrolle zu halten. „Die Industrie nimmt direkten und indirekten Einfluss auf die Maß­nahmen zur Vorbeugung der Tabakabhängigkeit“, so Francisco Camarelles, Präsident des Nationalkomitees zur Vorbeugung von Nikotinabhängigkeit.
Begutachtet wurde die Studie von Experten des katalanischen Instituts für Krebsforschung. Laut dem spanischen Ministerium für Gesundheit raucht ein Drittel der Bevölkerung im Alter zwischen 15 und 64 Jahren täglich. Die spanische Tabakindustrie hat zwar keinen Anteil an politischen Entscheidungen, doch sitzt ein Vertreter im Beirat der Aufsichtsbehörde des Finanzministeriums. Das bedeutet für Experten in der Materie jedoch ein Risiko für das öffentliche Gesundheitswesen.
Der Jahresbericht hebt die Einflussnahme der Tabak-Lobbys durch „unnötige Beziehungen“ zwischen Verwaltung und Industrie hervor und appelliert an die soziale Verantwortung der Unternehmen. Er zeigt auf, dass die Guardia Civil mit Philip Morris ein Abkommen unterzeichnete und den Sicherheitskräften hochwertiges Material zur Bekämpfung des Tabakschmuggels zur Verfügung gestellt wurde. Ihrerseits verlieh die Polizei einen Verdienstorden an den Verantwortlichen der Weltfirma für die Vorsorge gegen den Tabakschwarzhandel.
Die Regierung der Provinz Extremadura hat mit Philip Morris ein Abkommen für nachhaltigen Tabakanbau geschlossen. Auch die geringe Besteuerung von Tabakprodukten auf den Kanarischen Inseln wird in dem Report angeprangert.
Der ehemalige spanische Regierungspräsident José María Aznar war 2018 Berater für Südamerika für Phillip Morris, die sozialistische Ex-Ministerin Cristina Garmendia hat einen Platz im Aufsichtsrat der größten Logistikfirma für Tabakvertrieb in Spanien.
Der Jahresbericht schließt mit dem Hinweis, die Interaktion der Regierung mit der Tabakindustrie sei weitgehend zu beschränken.

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