Die Erwartungen weichen von der Realität ab
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) veröffentlichte dieser Tage die aktuellen Einwanderungsdaten. Demnach meldeten sich zwischen 2011 und 2012 über 50.500 Spanier in deutschen Gemeinden an – so viele wie seit 40 Jahren nicht mehr. Doch nur jeder Dritte bleibt länger als ein Jahr.
Madrid/Berlin – Bisher wurde in den deutschen Medien immer von Deutschland als „dem Gelobten Land“ oder „dem Paradies“ für arbeitslose Südeuropäer gesprochen, doch scheinbar stoßen die Einwanderer auf mehr Probleme als allgemein erwartet. Die Tageszeitung El País sprach mit mehreren spanischen Einwanderern in Deutschland und deckte auf, woran es oftmals scheitert.
Nicht automatisch eine Stelle
Nach den Daten des Nationalen Statistikinstitutes (INE) hat insbesondere die Zahl spanischer Einwanderer im Alter zwischen 45 und 54 Jahren zugenommen. Die jungen Spanier, die dem Ruf der Wirtschaft folgen, denken meist nicht an eine langfristige Zukunft in Deutschland. Doch oft wollen die Unternehmen eben nur in junge Personen investieren, die sich dauerhaft in Deutschland niederlassen, häufig scheitert es an fehlenden Deutsch-Kenntnissen. Dass die Einwanderer im Schnitt besser qualifiziert sind als die deutsche Bevölkerung allgemein, spielt hierbei keine Rolle. Im Endeffekt passen Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt nicht zusammen.
Das bestätigte Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) gegenüber El País: „Viele Spanier finden keine Arbeit.“ Und wenn, dann seien sie überqualifiziert. So gehöre es zur Tagesordnung, auf spanische Kellner mit Universitätsabschluss zu treffen. Zwar besteht in Deutschland ein Fachkräftemangel, doch beschränkt sich dieser auf ganz bestimmte Bereiche. Wirklich dringend gesucht würden nur Ingenieure und Informatiker, ergänzte Thomas Liebig von der OECD. Doch tatsächlich wollten nur 20% der deutschen Unternehmer auch Ausländer anstellen, erklärte er. Der Mangel an Fachkräften scheine dann doch noch nicht so arg zu sein, wie oftmals von der Wirtschaft beklagt und als Lockmittel für Fachkräfte benutzt werde.
Deutschland profitiert
Brücker ist der Meinung, es würden von der Einwanderungswelle sowohl Spanien als auch in besonderem Maße Deutschland profitieren. In Spanien würden die Arbeitslosigkeit und die Sozialkosten sinken, in Deutschland das demografische Problem verringert. Die von den Immigranten eingezahlten Sozialversicherungsbeiträge würden unterm Strich bei Weitem das ausgezahlte Arbeitslosengeld übersteigen. Dabei wüssten viele Spanier noch nicht einmal von ihrem Anspruch auf Sozialhilfe. Rechtsanwalt Íñigo Valdenebro, der seinen gerade eingereisten Landsleuten kostenlos Beistand leistet, erklärte, zwar sei der Zugang zu Hartz-IV erschwert, jedoch nicht versperrt worden, sodass diejenigen ohne Arbeit eigentlich erst Deutsch lernen und währenddessen in Ruhe nach einer Stelle suchen könnten.
Obdachlos
Doch tatsächlich scheitert ein wachsender Anteil der Einwanderer. Regina Thiele, die für ein Caritas-Obdachlosenheim in Berlin arbeitet, bestätigte gegenüber El País, dass seit 2010 die Anzahl der obdachlosen Spanier auf deutschen Straßen alarmierend zugenommen habe. „Architekten oder Universitätsabsolventen“ gebe es darunter, die beispielsweise einem betrügerischen Jobangebot zum Opfer gefallen seien. Am schlimmsten ergehe es den Älteren, die mit ihrer Familie eingewandert seien, doch ohne Kontakte und Sprachkenntnisse, nur mit „der seit Jahren genährten Ausweglosigkeit“. Regina Thiele sucht nach Unterkünften und Essenausgaben und leitet die Hilfesuchenden danach an die Arbeitsämter weiter.
Persönliche Erfahrungen
Als weitere Probleme, auf die sie in Deutschland gestoßen sind, nannten die von El País befragten Spanier ihre mangelnden Sprachkenntnisse. Darüber hinaus gäbe es auch schon mal den einen oder anderen Kulturkonflikt, wenn beispielsweise ein spanischer Angestellter die Lösung für ein Problem vorstellte, diese aber abgelehnt würde, wenn es nicht ganz der Norm entspräche. Insgesamt erklärten die von El País befragten Spanier, in Deutschland gut aufgenommen worden zu sein, manchmal würde man sie jedoch „bevormunden“ und das sei „unangenehm“.
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