Die letzten Flüchtlingskinder werden erwachsen


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Erinnerungen an die Patera-Krise

Die Zeiten des massiven Ansturms von afrikanischen Flüchtlingen, die in wackeligen Nussschalen, den sogenannten Pateras, und auf rostigen Seelenverkäufern ihr Leben riskierten, um auf die Inseln und damit nach Spanien und Europa hineinzugelangen, gehören für die Kanaren der Vergangenheit an.

Dies zeigt sich auch darin, dass es mittlerweile keine gesonderten Einrichtungen für die Unterbringung allein eingereister Minderjähriger mehr gibt.

Bis zu 1.500 von ihnen befanden sich zeitweise in der Obhut der kanarischen Behörden und sprengten den Rahmen der Kinderheime bei Weitem. So wurden auf verschiedenen Inseln spezialisierte Zentren für sie eingerichtet, von denen die letzten beiden, in Tegueste auf Teneriffa und in Agüimes auf Gran Canaria, im Jahr 2011 wieder geschlossen wurden.

Nur noch 65 dieser Kinder und Jugendlichen befinden sich jetzt noch auf den Kanaren und leben, auf reguläre Betreuungseinrichtungen verteilt, 19 auf Teneriffa, 33 auf Gran Canaria, sieben auf Lanzarote und sechs auf La Palma.

Die Flüchtlingskrise begann für die Kanarischen Inseln im Jahr 1999. Über mehrere Jahre kamen mit dem stetigen Flüchtlingsstrom auch immer wieder unbegleitete Minderjährige an. 2006 explodierte dann unerwar-

tet die Zahl der Ankömmlinge auf 30.000, und 900 davon waren Kinder und Jugendliche ohne Verwandte. In den beiden darauffolgenden Jahren kamen nochmals 756 bzw. 813 an, die untergebracht und versorgt werden mussten. Eine Überforderung, mit der die Kanarenregierung lange allein fertigwerden musste. Die Situation spitzte sich 2009 so sehr zu, dass der Europakommissar für Justiz, Freiheit und Sicherheit Jaques Barrot die „Notfalleinrichtung für minderjährige Flüchtlinge Arinaga“ auf Gran Canaria besuchte und in den Stockholmer Aktionsplan für „Alleinstehende Minderjährige im Ausland“ aufnahm.

Mit der Verstärkung der Grenzkontrollen ging der Zustrom an Flüchtlingen drastisch zurück, und das Problem reduzierte sich in den folgenden Jahren auf natürliche Weise.

20 Jahre seit der ersten Patera

Am 28. August 1994 traf erstmals ein Flüchtlingsboot aus Afrika auf den Kanarischen Inseln ein. Zwei junge Männer waren an Bord dieser Patera, der in den darauffolgenden Wochen und Monaten immer mehr folgten. Sie kamen auf einer den Fischern bekannten Route über den Atlantik und trafen voller Hoffnung auf eine bessere Zukunft auf den Inseln ein. Rund 100.000 Armutsflüchtline vom afrikanischen Kontinent erreichten in den letzten zwei Jahrzehnten die kanarischen Küsten. Wie viele Menschen die gefährliche Überfahrt mit dem Leben bezahlten, kann niemand sagen. Auf den Kanaren gibt es  1.770 Gräber von Bootsflüchtlingen, die die Reise nicht überlebten. Eine der schlimmsten Tragödien der illegalen Immigration aus Afrika ereignete sich am 15. Februar 2009, als ein aus Marokko kommendes Flüchtlingsboot nur zwanzig Meter vor der Küste von Lanzarote im flachen Wasser kenterte. 25 Menschen, da­runter 19 Kinder, ertranken.    

Anlässlich der 20 Jahre, die seit der Ankunft der ersten Patera vergangen sind und der vielen Flüchtlinge, die in den folgenden Jahren ankamen, äußerte sich auch der ehemalige Regierungsdelegierte auf den Kanaren, José Segura. Er erinnert sich, dass sich lediglich der damalige Regierungspräsident Adán Martín († 2010) tadellos verhielt. Im Gegensatz zu ihm hätten andere Regierungsmitglieder und auch Abgeordnete wie der heutige Regierungspräsident Paulino Rivero kaum Anteil an der Tragödie genommen. „Kein einziger der 60 Abgeordneten im kanarischen Parlament interessierte, geschweige denn besuchte eines der Flüchtlingslager, die geschaffen wurden, um die vielen Immigranten unterzubringen“, erinnert er sich. Zehn Jahre nach dem schlimmsten Flüchtlingsansturm auf die Kanarischen Inseln ist José Seguro davon überzeugt, „dass die Inseln weiterhin wegschauen“, nach dem Motto „sollen sie sehen, wie sie zurecht kommen“ in Lampedusa, Zypern oder wo auch immer. „Es scheint mir, als hätte man vergessen wie es war, als bei uns bis zu 1.500 Flüchtlinge am Tag ankamen“, bedauert Segura.

Sieben Personen auf hoher See gerettet

Am 29. August konnten sieben Afrikaner aus einem ziellos im Atlantik treibenden Boot gerettet werden. Per Mobilfunktelefon hatten sie auf ihre Not aufmerksam gemacht. Ein Rettungshubschrauber suchte fast einen Tag lang nach dem Boot, das schließlich 126 km südlich von Fuerteventura ausgemacht wurde. Die Insassen konnten unversehrt aus der Luft gerettet werden.

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