Über eine Regierungsbildung wird jedoch erst nach den Regional-, Kommunal- und Europawahlen am 26. Mai verhandelt
Madrid – Mit dem besten Ergebnis seit nunmehr elf Jahren haben die Sozialisten mit Ministerpräsident Pedro Sánchez die Parlamentswahlen in Spanien gewonnen. Sie verfehlten jedoch mit 28,7% die absolute Mehrheit und müssen mit mehreren Parteien koalieren. Die konservative Partido Popular erlebte dagegen ein Debakel und sah ihre bei den letzten Wahlen erreichten Wählerstimmen nahezu halbiert. Erstmals nach mehreren Jahrzehnten zieht mit VOX wieder eine rechtspopulistische Partei in das Parlament ein. Die 2013 gegründete VOX-Partei folgt damit einem Trend, der sich bereits in anderen Staaten der EU gezeigt hat.
Bei dem dritten Urnengang der Spanier in den vergangenen vier Jahren konnten die Sozialisten 123 der 350 Sitze im Parlament erringen, 38 mehr als bei den vorausgegangenen Wahlen. In 4.000 der 8.000 Städte und Gemeinden konnte sich die PSOE durchsetzen und erreichte im Senat, der zweiten Kammer Spaniens, die absolute Mehrheit.
Die Wahlbeteiligung von nahezu 75% wurde von politischen Beobachtern als historisch bezeichnet. Vertreter verschiedener Parteien bezeichneten diese Wahl als die wichtigste seit Jahrzehnten. Es gilt, eine große Zahl von Problemen zu bewältigen, allen voran der Konflikt der Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens. Aber es droht auch erneuter politischer Stillstand, die Abschwächung der Konjunktur, eine nach wie vor relativ hohe Arbeitslosigkeit und zunehmende illegale Einwanderung. Das hat die Spanier ganz offensichtlich veranlasst, so massiv an die Urnen zu gehen. Das Innenministerium hat die Wahlbeteiligung von 75% bestätigt – 9% mehr als bei den letzten Wahlen vom Juni 2016. Die bisher höchste Wahlbeteiligung gab es übrigens 1982 mit nahezu 80%, ein Jahr nach dem Putschversuch.
Die Tatsache, dass die Oppositionsparteien, vor allem die konservative Partido Popular sowie die rechtsliberale Bürgerpartei Ciudadanos getrennt im Wahlkampf auftraten und Positionen im Zentrum aufgegeben hatten, um die ultrarechte VOX-Partei zu bekämpfen, trug zum Wahlsieg der Sozialisten bei.
Diese Strategie der Oppositionsparteien, Wähler, die nach „rechtsaußen“ orientiert waren, zurückzugewinnen, scheiterte, und VOX zieht nun mit zehn Prozent der Stimmen und 24 Abgeordneten ins Parlament ein. Pedro Sánchez gelang es dagegen, die gemäßigten Wähler dieser Parteien in sein Lager zu holen.
Obwohl seine VOX-Partei mit mindestens 60 Sitzen gerechnet hatte und nur ein mäßiges Ergebnis erzielen konnte, trat Parteichef Santiago Abascal bei der Abschlussparty mit geschwellter Brust auf. „Wir haben jetzt 24 Abgeordnete, und die werden den Stolz der Spanier vertreten. Wir setzen uns nicht nur für die Einheit unserer Nation ein, sondern werden unsere Grenzen gegen die illegale Migration verteidigen. Wir sind hier, um zu bleiben“, rief er seinen jubelnden Anhängern zu. In den Reihen der Partei befinden sich auch mehrere Militärs, die als Anhänger des Franco-Regimes gelten. VOX nimmt sich die Regierungen in Ungarn, Polen und Italien zum Vorbild.
Pedro Sánchez stehen nun äußerst schwierige und wahrscheinlich sehr langwierige Koalitionsgespräche mit linken und regionalen Parteien bevor. Es droht eine äußerst komplizierte politische Patt-Situation, wie Spanien sie bereits 2016 erleben musste, als das Land, das als die viertgrößte Volkswirtschaft der EU gilt, in sechs Monaten zweimal zur Wahl gehen musste und fast ein ganzes Jahr ohne eine reguläre Regierung war.
Rajoy hat die Schuld
Bei der Aufarbeitung des Debakels, das die Partido Popular bei diesen Wahlen erlitten hat, haben Parteichef Pablo Casado und Esperanza Aguirre, ehemalige Präsidentin der Region Madrid und Vorstandsmitglied der PP, zu einer gemeinsamen Analyse gefunden. Die hohen Stimmenverluste und die Abwanderung der Wähler sind nicht auf die falsche Strategie von Casado, sondern auf die Regierungsetappe von Mariano Rajoy zurückzuführen. Der hätte es nicht verstanden, die vielen Korruptionsfälle, die Wirtschaftskrise und die Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien in den Griff zu bekommen. Eindeutig eine Strategie, um die Führungsrolle Casados zu schützen.
Pedro Sánchez hat zwar inzwischen erste Kontakte mit den verschiedenen Parteien aufgenommen, doch ernsthafte Gespräche werden erst nach den Regional-, Kommunal- und Europawahlen stattfinden, um deren Ergebnisse nicht zu beeinflussen.
Ergebnisse auf den Kanaren
Auch auf den Kanaren, wo die Wahlbeteiligung traditionell geringer ist, waren ebenfalls mehr Wähler in die Wahllokale gegangen, blieben jedoch mit 68,14% (2016: 59,11%) hinter dem nationalen Rekord zurück. 1.071.737 Wähler gaben ihre Stimme für die 15 Sitze ab, die im Abgeordnetenkongress zu vergeben waren. Auch hier konnte die sozialistische PSOE 27,85% der Stimmen (2016: 22,52%) erzielen und die Zahl ihrer Abgeordneten von drei auf fünf aufstocken. Zweitstärkste Partei wurde Podemos, die mit 15,72% (2016: 20,27%) wieder zwei Abgeordnete erzielte. Partido Popular musste auch auf den Kanaren schwere Verluste einstecken, fiel von 34,5% in 2016 auf 15,53% zurück und verlor gleichzeitig drei Abgeordnetensitze. Die Bürgerpartei Ciudadanos konnte mit 14,6% der Stimmen erstmalig zwei Sitze im Parlament erreichen, ebenso wie die Kanarische Koalition CC, die mit zwei weiblichen Abgeordneten vertreten ist. Die rechtspopulistische VOX-Partei konnte zwar 6,55% der Wählerstimmen erzielen, erreichte mit diesem Ergebnis jedoch keinen Vertreter im Parlament.
Frauenanteil von 47%
Noch nie zuvor war der Frauenanteil im Abgeordnetenhaus dermaßen hoch wie nach diesen Wahlen. 164 weibliche Abgeordnete werden in das neue Parlament einziehen – mit 46,8% fast die Hälfte aller Volksvertreter. Zum ersten Mal wird die 40%-Grenze überschritten. 64 der weiblichen Abgeordneten gehören der PSOE an. Die Fraktion der PP wird mehrheitlich aus Frauen bestehen, denn sie besetzen 34 der 66 Sitze ihrer Partei. Ciudadanos stellt 21 weibliche Abgeordnete, Unidos Podemos 20, Esquerra Republicana 6, PNV 2, Junts per Catalunya 2, EH Bildu 1. Die kanarische CC erlangte zwei Sitze und kann mit Ana Oramas und Guadalupe González Taño einen Frauenanteil von 100% vorweisen.
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