ETA ist Vergangenheit


Jonathan Powell (2.v.l.), Kabinettsleiter des ehemaligen britischen Premiers Tony Blair, und weitere internationale Beobachter bestätigten die Auflösung von ETA. Foto: EFE

In einem offiziellen Akt in Cambo-les-Bains im französischen Baskenland verlasen zwei „historische“ Mitglieder der Terrororganisation die Erklärung ihrer Auflösung

Cambo-les-Bains – ETA konnte nicht einfach so verschwinden. Sie benötigte noch einen öffentlichen Akt, bei dem Vertreter internationaler Institutionen, aber auch Persönlichkeiten anwesend waren, die an ungezählten Vermittlungsversuchen mit den unterschiedlichsten spanischen Regierungen beteiligt waren, und natürlich die Medien. Es ging um den letzten Versuch, ihr Scheitern in einem besseren Licht erscheinen zu lassen.

José Antonio Urrutikoetxea – Josu Tenera -, hat der Erklärung über die Auflösung in spanischer Sprache seine Stimme geliehen. Ein halbes Jahrhundert lang gehörte er der Terrororganisation an, in der er so gut wie alle Funktionen – organisatorisch und strategisch – durchlaufen hat. Er ist sozusagen ein Symbol der ETA. Seit 2001 befindet er sich auf der Flucht an einem unbekannten Aufenthaltsort und wird von der Justiz wegen zahlreicher terroristischer Verbrechen gesucht.

Die Wahl von Soledad Iparragirre – Anboto –, um die Erklärung der ETA in baskischer Sprache zu verlesen, hatte nach der Ansicht der Polizei symbolischen Charakter. Die Mutter eines Kindes des Terroristen Mikel Antza sitzt in einem Gefängnis in Paris ein. 14 Morde gehen auf ihr Konto.

Sie war auf einem Bauernhof aufgewachsen, auf dem ihre Eltern den Mordkommandos der ETA Unterschlupf gewährten. Von 1985 bis 1987 gehörte sie dem Kommando Araba an, mit dem sie 11 Attentate verübte und vier Menschen tötete. Seit 1991 gehörte sie zum Kommando Madrid, das zahlreiche Attentate mit Autobomben verübte, bei denen zehn Menschen ums Leben kamen und Hunderte verletzt wurden. 1994 stieg sie als einzige Frau bis zur Führung der Terrororganisation auf. Sie flüchtete nach Kuba, wo sie ihren Sohn zur Welt brachte, und kehrte mit ihm nach Frankreich zurück. Als sie 2004 gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Antza verhaftet wurde, hatten beide die Führung der ETA inne.

224 Morde blieben ungeklärt

Der Mord an dem PP-Stadtrat Manuel Zamarreno aus Renteria im Jahr 1998 ist eines der 224 tödlichen Attentate der ETA, deren Akteure und Komplizen nie zur Rechenschaft gezogen werden konnten. Die Mehrzahl der ungeklärten Mordanschläge stammt aus der Zeit der UCD-Regierung der Jahre 1978 bis 1982. Viele davon sind inzwischen verjährt. Jetzt hat die Justiz, die diese Anschläge nach wie vor verfolgt, neue Hoffnung, wenigstens Fälle aus jüngerer Zeit doch noch aufzuklären. Im vergangenen Februar hatte die französische Regierung zwei Lastwagen voller Waffen und große Mengen Dokumente an die spanischen Behörden übergeben.

297 Terroristen befinden sich noch in Haft

Seit ETA im Jahr 2011 einen unbegrenzten Waffenstillstand ausgerufen und den bewaffneten Kampf für endgültig beendet erklärt hatte, konnte etwa die Hälfte der inhaftierten Terroristen die Gefängnisse verlassen, weil sie ihre Strafe verbüßt hatten.

Am 20. Oktober 2011, als der Waffenstillstand verkündet wurde, befanden sich 703 „Etarras“ in Haft. 559 auf zahlreiche Gefängnisse in Spanien verteilt, 144 in verschiedenen europäischen Ländern und in Mexiko. Als ETA am 20. April dieses Jahres die bevorstehende Auflösung ankündigte, waren nach Angaben des Innenministeriums noch 297 Personen inhaftiert, das sind 58 Prozent weniger. Für sie, so Innenminister Zoido, seien keinerlei Erleichterungen zu erwarten. Dabei wird immer wieder die Rückführung der Häftlinge in das Baskenland verlangt. Noch vor wenigen Wochen hatten Tausende an Protestmärschen teilgenommen, um diese Forderung durchzusetzen.

Über 50 Jahre bewaffneter Kampf

Gegründet wurde ETA während der Franco-Diktatur. Ihren ersten aufsehenerregenden Schlag verübte sie 1973 auf den damaligen Ministerpräsidenten Luis Carrera Blanco, den sie in Madrid mit seinem Dienstwagen in die Luft sprengte. Der damals bereits kranke Diktator hatte ihn zu seinem Nachfolger bestimmt. Seit ihrer Gründung hat die Terrororganisation in ihrem Untergrundkampf in Spanien und Südfrankreich 854 Menschen umgebracht und Tausende verletzt. In dem Manifest zu ihrer Auflösung schreibt ETA, ihr Verschwinden löse nicht den Konflikt, den das Baskenland mit Spanien und mit Frankreich habe.

„ETA wurde von der Demokratie besiegt“, dieser Erklärung schlossen sich die wichtigsten Parteien Spaniens an, nachdem die Terrororganisation das Kommuniqué über ihre Auflösung veröffentlicht und damit 59 Jahre der Morde und Grausamkeiten, Entführungen und Erpressungen beendet hatte.

Der baskische Regionalpräsident Iñigo Urkullu gedachte der Opfer … „die es nie hätte geben dürfen – ETA hat für immer aufgehört, uns zu bedrohen“.

Die Auflösung der Terrororganisation ETA ziehe keine Vorteile für die noch in Haft befindlichen Mitglieder nach sich. Auch keine Nachsicht für diejenigen, die sich auf der Liste der gesuchten Straftäter befinden, sie alle werden vor Gericht gestellt. Das ist das Versprechen, welches Präsident Mariano Rajoy der spanischen Gesellschaft, vor allem aber den Opfern und deren Angehörigen, gegeben hat.

„ETA hat keines ihrer Ziele erreicht, kein einziges“ rief er den Opfervertretern zu, die sich im Moncloa-Palast in Madrid versammelt hatten. ETA verschwindet, aber nicht der Schmerz, den sie angerichtet hat und auch nicht die Dankbarkeit, die wir den Opfern des Terrors schuldig sind“.

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